Bundesregierung Vaugoin

Die Bundesregierung Vaugoin war vom 30. September 1930 bis zum 29. November 1930 eine kurzlebige österreichische Bundesregierung.

Vorgeschichte

Die Heimwehr sah sich 1930 in einer zunehmenden Gegnerschaft zu Bundeskanzler Johann Schober, der – allerdings erfolglos – die Wehrverbände entwaffnen lassen wollte und den deutschen Heimwehrfunktionär Waldemar Pabst des Landes verwiesen hatte. Mit Unterstützung durch den der Heimwehr zugeneigten Vizekanzler und Heeresminister Carl Vaugoin gelang es ihr, eine Regierungskrise herbeizuführen. Vaugoin forderte von Schober, den Generaldirektor der Grazer Straßenbahndirektion, Franz Strafella, zum Generaldirektor der Bundesbahnen zu ernennen, um diese „rote Hochburg“ unter Kontrolle zu bringen. Die Eisenbahner hatten zuvor immer wieder illegale Waffentransporte der Heimwehr mit der Bahn aus Italien auffliegen lassen. Die Arbeiter-Zeitung beschuldigte Strafella in dubiose Geldgeschäfte verwickelt zu sein und konnte damit seine Bestellung verschieben. Eine Verleumdungsklage gegen die Zeitung gewann Strafella am 19. September 1930 in den meisten Punkten. Das Gericht stellte jedoch auch fest, dass Strafellas Geschäfte zulässigerweise als „unsauber und unkorrekt“ bezeichnet werden durften, sodass sein Ruf in der Öffentlichkeit weiteren schweren Schaden nahm.[1]

Vaugoin forderte aber ungeachtet dieses Urteils die Ernennung Strafellas, was Schober ablehnte. Daraufhin trat Vaugoin als Vizekanzler zurück und erzwang somit den Rücktritt der gesamten Regierung Schober am 25. September 1930. Aufgrund der Verfassungsreform von 1929 wählte nun nicht mehr das Parlament eine neue Regierung, sondern sie wurde von Bundespräsident Wilhelm Miklas bestellt.[2] Nach Gesprächen mit Vertretern der größeren Parteien betraute Miklas Vaugoin als Obmann der größten Partei mit der Bildung eines Kabinetts. Landbund und die Großdeutschen erklärten den Koalitionspakt für gebrochen und standen auch nicht für eine neue Koalition zur Verfügung, sondern forderten Neuwahlen.[3] Am 30. September ernannte Miklas die neue Regierung.[4]

Mitglieder

AmtAmtsinhaberPartei
BundeskanzlerCarl VaugoinCSP
VizekanzlerRichard SchmitzCSP
Bundesminister für die sachliche Leitung der auswärtigen AngelegenheitenIgnaz SeipelCSP
Bundesminister für die sachliche Leitung der inneren AngelegenheitenErnst Rüdiger Starhembergohne Parteimitgliedschaft
Bundesminister für JustizFranz Hueberohne Parteimitgliedschaft
Bundesminister für UnterrichtEmmerich CzermakCSP
Bundesminister für FinanzenOtto Juchohne Parteimitgliedschaft
Bundesminister für Land- und ForstwirtschaftAndreas ThalerCSP
Bundesminister für Handel und VerkehrEduard HeinlCSP
Mit der Leitung des Bundesministeriums für das Heereswesen betrautBundeskanzler Carl VaugoinCSP
Mit der Leitung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung betrautVizekanzler Richard SchmitzCSP

Wirken

Bundeskanzler Vaugoin setzte am 1. Oktober Engelbert Dollfuß als Präsident der Bundesbahnen ein,[5] der am 2. Oktober Strafella zum Generaldirektor der Bundesbahnen ernannte[6] und dort gegen den Willen der Gewerkschaft einige tausend Entlassungen durchsetzte.[7] Innenminister Starhemberg hob die Ausweisung von Waldemar Pabst auf.[8]

Auswirkung

Diese Regierung bestand nur aus Mitgliedern der Christlichsozialen Partei, dem hohen Finanzbeamten Juch, sowie den Heimwehrfunktionären Starhemberg und Hueber. Als Minderheitskabinett hatte man im Parlament keine Mehrheit, daher löste Bundespräsident Miklas am 1. Oktober den Nationalrat auf und setzte für den 9. November 1930 Neuwahlen an.[2] Zu dieser traten die Großdeutschen und der Landbund gemeinsam als Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund an.

Durch die Vergabe von Ministerposten an die Heimwehr hoffte Vaugoin bei den Neuwahlen von dieser Seite auf Unterstützung. Diese hatte allerdings andere Pläne: Zuerst wurden – etwa von Otto Ellison-Nidlef – mehr oder weniger offen Putschpläne gesponnen, die einen Staatsstreich im Sinne des Korneuburger Eids mit Vaugoin, Bundesheer, Gendarmerie und Polizei vorsahen. Letztlich entschied die Heimwehr aber, eine eigene politische Liste für die Wahlen aufzustellen, den Heimatblock.[9]

Nachdem die Wahl nichts am Status als Minderheitsregierung geändert hatte, trat die Bundesregierung Vaugoin am 29. November 1930 zurück. Sie wurde von Bundespräsident Miklas noch mit der Weiterführung der Geschäfte bis zum Antritt der neuen Regierung betraut. Diese war ab 4. Dezember die Bundesregierung Ender.[10][11]

Einzelnachweise

  1. Robert Kriechbaumer (Hrsg.): „Dieses Österreich retten...“ Die Protokolle der Parteitage der christlichsozialen Partei in der Ersten Republik. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2006, ISBN 3-205-77378-0, S. 371, Anm. 18.
  2. a b Hugo Portisch: Österreich I: Die unterschätzte Republik. Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5, S. 377 f.
  3. Eine christlichsoziale Minderheitsregierung. In: Arbeiter-Zeitung. 43. Jahrgang, Nr. 267, 27. September 1930, S. 1 (Online auf ANNO – AustriaN Newspapers Online).
  4. Vaugoin–Seipel–Starhemberg: Die Regierung ernannt. – Zwei Heimwehrführer Minister. In: Arbeiter-Zeitung. 43. Jahrgang, Nr. 271, 1. Oktober 1930, S. 1 (Online auf ANNO).
  5. Bundesministerium Vaugoin. Ministerrat. In: Wiener Zeitung. 227. Jahrgang, Nr. 228, 2. Oktober 1930, S. 1 (Online auf ANNO).
  6. Der neue Vorstand der Bundesbahnen. In: Wiener Zeitung. 227. Jahrgang, Nr. 230, 4. Oktober 1930, S. 6 (Online auf ANNO).
  7. Hugo Portisch: Österreich I: Die unterschätzte Republik. Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5, S. 415.
  8. Walter Wiltschegg: Die Heimwehr: eine unwiderstehliche Volksbewegung? Hrsg.: Rudolf Neck, Adam Wandruszka (= Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte. Nr. 7). Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1985, ISBN 978-3-7028-0221-9, S. 357.
  9. Walter Wiltschegg: Die Heimwehr: eine unwiderstehliche Volksbewegung? Hrsg.: Rudolf Neck, Adam Wandruszka (= Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte. Nr. 7). Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1985, ISBN 978-3-7028-0221-9, S. 57 f.
  10. Hugo Portisch: Österreich I: Die unterschätzte Republik. Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5, S. 384.
  11. Vaugoin endlich gegangen! In: Arbeiter-Zeitung. 43. Jahrgang, Nr. 329, 30. November 1930, S. 1 (Online auf ANNO).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Austria Bundesadler.svg
Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.