Britisch-Guayana

Britisch-Guayana
British Guiana
1831–1966
Flagge (1955–1966)Wappen (1955–1966)
Wahlspruch: Damus petimus que vicissim
(Lateinisch für: „Wir geben und wir erwarten auch“)
AmtsspracheEnglisch
HauptstadtGeorgetown
Staats- und RegierungsformBritische Kolonie
RegierungschefPremierminister (1961–1966)
Fläche231.800 km²
Einwohnerzahl307.391 (1924)[1]
Bevölkerungsdichte1,3 Einwohner pro km²
WährungWestindischer Dollar (1949–1965)
Ostkaribischer Dollar (1965–1966)
Errichtung21. Juli 1831
VorgängergebildeBerbice
Demerara-Essequibo
Endpunkt26. Mai 1966 (Unabhängigkeit)
Abgelöst vonGuyana
ZeitzoneUT-4
Kfz-KennzeichenBRG
Telefonvorwahl+592
Grenzen von Britisch-Guayana 1896
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Britisch-Guayana (englisch British Guiana) war der Name einer Kolonie des Vereinigten Königreiches an der Nordküste von Südamerika. Sie bildet seit 1966 den unabhängigen Staat Guyana.

Erste niederländische Niederlassungen

Erste Handelsposten wurden durch die Niederländische Westindien-Kompanie (WIC) zwischen 1616 und 1621 angelegt. Die WIC errichtete zu ihrem Schutz 1616 das Fort Kykoveral auf einer Flussinsel am Zusammenfluss des Mazaruni und des Cuyuní, in der heutigen Region Cuyuni-Mazaruni. Der erste Handelsposten am Berbice entstand 1624. Zu dieser Zeit waren drei Versuche, hier englische Niederlassungen zu etablieren, erfolglos.

An den Flüssen Pomeroon und Essequibo betrieb man ebenfalls Tauschhandel mit Eingeborenen. Hieraus und aus ersten Pflanzungen entstanden die Kolonien Essequibo und Berbice. Ab 1745 wurden auch die Ufer des Demerara, der zu Essequibo gehörte, intensiver für die Plantagenwirtschaft genutzt. Im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekam dieser Bereich als Demerara einen eigenständigen Charakter. Zusammen mit dem heutigen Suriname war dieses Territorium an der Nordküste von Südamerika auch unter dem Sammelbegriff Niederländisch-Guayana bekannt.

Die einzelnen Gebiete wechselten ab Ende des 18. Jahrhunderts mehrmals zwischen den Kolonialmächten Niederlande, Großbritannien und Frankreich die Besitzer.

Die britische Kolonie

Der von Brown im April 1870 beschriebene Kaieteur-Wasserfall im Landesinnern – Zeichnung des Forschers.
Karte von British Guiana 1876. Noch ohne definitive Grenzmarkierung im Landesinneren.

Nach den Napoleonischen Kriegen fielen die Kolonien Essequibo, Demerara und Berbice durch den Britisch-Niederländischen Vertrag vom 13. August 1814 definitiv an Großbritannien.

Am 21. Juli 1831 wurden diese drei Kolonien zu Britisch-Guayana zusammengefügt.

Die exakte Definition der Grenzverläufe führte zu Streitigkeiten mit den Nachbarstaaten Venezuela,[2][3] Brasilien[4] und Niederländisch-Guayana.[5] Die Grenzziehung mit Venezuela regelte man 1899.
Um die Grenze zu Brasilien in einem seit 1843 umstrittenen Gebiet im Südwesten festzulegen, verständigten das Vereinigte Königreich und Brasilien sich 1901 darauf, König Vittorio Emanuele III. von Italien als Schiedsrichter anzurufen. Der König sprach 1904 ein gut 10.000 km² großes Gebiet südlich des Roraima-Tepui Brasilien zu (heute ein Teil des Bundesstaates Roraima) und wies weitergehende brasilianische Ansprüche zurück.[6]

Im Jahre 1953 intervenierten britische Truppen in Britisch-Guayana. Großbritannien befürchtete, dass das Ehepaar Janet und Cheddi Jagan und die durch sie gegründete People’s Progressive Party (PPP) Guyana zum sozialistischen bzw. kommunistischen Staat machen wollten.

Britisch-Guayana erreichte am 26. Mai 1966 die Unabhängigkeit von Großbritannien und wurde am 23. Februar 1970 zur Kooperativen Republik Guyana erklärt.

Bevölkerung

1834 wurde die Sklaverei abgeschafft. Nach Ablauf der anschließenden vierjährigen Arbeitspflicht für die ehemaligen Sklaven, die euphemistisch als „apprenticeship“ (Lehrzeit) bezeichnet wurde, und dem Verlust von Arbeitskräften vor allem auf den Plantagen „verpflichteten“ die Briten ab 1838 Kontraktarbeiter aus Britisch-Indien als Ersatz.

Aus asiatischen Teilen des Empire wurden bis zum Ersten Weltkrieg indische Vertragsarbeiter („indentured labourers“) für die Plantagen importiert. Die Hauptanbau- und Exportprodukte waren Zucker bzw. Melasse und Rum, Gummi („para rubber“) sowie Kaffee. Balata zapften vor allem die Eingeborenen in den Urwäldern. Deren Exporte gingen in der Zwischenkriegszeit zu gut einem Drittel nach Großbritannien und je einem weiteren Viertel in die USA und nach Kanada.

Zum Stichtag 31. Dez. 1918 zählte man 310.972 Einwohner, davon waren rund 14000 Weiße (Briten und Portugiesen), 2874 Chinesen, 134670 Inder (mit 19167 Kindern), davon 37561 Arbeiter mit Knebelverträgen, Mischlinge und Neger 153051 sowie geschätzt 7000 Eingeborene in entwickelten Bezirken. Letztere wohnten vor allem im wenig entwickelten Nordwesten westlich des Pomeroon im Grenzbereich zu Venezuela.

Nach dem Ersten Weltkrieg mussten Einreisende bei der Buchung einer Passage der 2. oder 3. Klasse eine hohe Kaution zur Sicherung ihres Lebensunterhalts hinterlegen. Diese war für britische Untertanen Westindiens £ 5 für andere £ 30.

In den 1950er Jahren, dem letzten Jahrzehnt vor der Unabhängigkeit, hatte Britisch-Guayana etwa eine halbe Millionen Einwohner. Davon lebten ca. 90.000 in der Hauptstadt Georgetown.[7]

Verwaltung

Verwaltungssitz war Georgetown, das bis 1812 „Stabroek“ hieß.[8]

Bis 1831 hatte Berbice eine eigene Verwaltung. Die danach geschaffene Verfassung bis 1891 schuf drei Verwaltungsorgane: Gouverneur, „Court of Policy“ und „Combined Court“. Der Combined Court war für die Besteuerung zuständig. Letzteren gehörten alle Mitglieder des Policy Court, der Gouverneur und sechs „financial representatives“ an. Die ersten beiden Institutionen zusammen bildeten in einem Exekutive und Legislative.

Seit 1837 gab es in Georgetown und New Amsterdam jeweils einen Bürgermeister und Gemeinderat.

Eine gewisse Gewaltentrennung erfolgte mit der Reform 1891/1892: Der „Court of Policy“ blieb für die gesamte Gesetzgebung, außer dem Haushalt zuständig. Neu geschaffen wurde, nach dem allgemeinen Vorbild britischer Kolonien der Zeit, ein „Executive Council“. Diesem gehörten ex officio der Gouverneur, der „colonial secretary“ und der Generalstaatsanwalt an. Dazu kamen bis zu sechs (ernannte) Mitglieder.
Dem „Combined Court“ blieb das Haushaltsrecht. Ihm gehörten neben dem Gouverneur sieben Beamte an, die nicht gegen die Verwaltung stimmen durften, sowie acht für eine Amtszeit von höchstens fünf Jahren gewählte Mitglieder. Ebenso Mitglied waren die sechs „financial representatives“ des Policy Court.

1928 wurde Britisch-Guayana zur Kronkolonie. Der „British Guiana Act“ brachte die Verwaltungspraxis noch mehr auf Linie der Praxis anderer Kolonien. Anstatt des „Combined“ und „Policy Court“ gab es nun ein „Legislative Council“ mit bis zu 19 nicht-beamteten Mitgliedern, von denen 14 nach vermögensabhängigem Zensuswahlrecht gewählt und fünf ernannt wurden. Frauen und Geistliche hatten kein passive Wahlrecht.

Das auf römischem Recht basierende Zivilrecht der Niederländer blieb bis 1. Januar 1917 in Kraft. Dann erfolgte Anpassung an die britische Praxis des Common Law, das auch im Strafrecht galt. Die erste Instanz waren die „Magistrate′s Courts“ (Amtsgerichte). Die zweite Instanz war der „Supreme Court“ mit einem „Chief justice“ und einem weiteren Richter. Die dritte für Britisch-Guayana zuständige Instanz war von 1919, als dieses Berufungsgericht schaffen wurde,[9] bis zur Gründung der Westindischen Föderation 1958 der „West Indian Court of Appeal“.

Ab 1876 wurden konfessionelle Schulen zur allgemeinen Bildung staatlich unterstützt. Das Government College in Georgetown entsprach dem Niveau einer englischen Grammar School. Man richtete 1907 in Onderneeming auch eine Besserungsanstalt für Knaben („industrial school“) ein.

20-Dollar-Banknote der Regierung von „British Guiana“, 1942

Das öffentliche Gesundheitswesen konzentrierte sich nach 1900 auf Verringerung der häufigsten Tropenkrankheiten. Typhus wurde meldepflichtig, gegen Malaria wurden Wasserspeicher behandelt und Chinin günstig in Postämtern verkauft. Dem Medical department unterstand auch die Gefängnisverwaltung. Es gab eine staatliche Lepra-Kolonie und ein Irrenhaus (“lunatic asylum”).

Rechnungswährung der Kolonie war der Dollar, dessen Wert auf 4' 2 d. fixiert war. An Banknoten zirkulierten die Scheine der Royal Bank of Canada, bis die Regierung eigenes Geld herstellen ließ. Zunächst waren dies ab 1916 nur Scheine zu 1 und 2 Dollar, erst mit der Serie ab 1938 folgten höhere Werte. Die Postverwaltung unterhielt zugleich die einzige Sparkasse.

Wirtschaft und Verkehr

Neben den erwähnten Exportfrüchten zog man für den Eigenbedarf vor allem Reis, Limetten und Kokosnüsse. Letztere zur Fettherstellung. Rinderzucht zum Fleischexport betrieb man an der Küste und mehr noch in Lagen über 500 Fuß in der Rupununi-Savanne.

Das 1925 eingerichtete Forestry Department, zuständig für 200000 km² Waldfläche, konzessionierte Plantagennutzung sowie den Einschlag des autochthonen Hartholzes, besonders von Chlorocardium rodiei.

Vor allem im Fluss Konawaruk wurde Gold maschinell gewaschen. Diamanten gewann man aus Alluvialböden. Der Abbau von Bauxit begann 1914. Es schürfte zuerst die Demerara Bauxite Company, Tochter der noch heute bei Suralco tätigen Alcoa sowie ab den 1920ern die British and Colonial Bauxite Company.

Die drei Flussläufe sind bis zu den weit im Inneren liegenden Wasserfällen schiffbar. Kommerzieller Fähr- und Bootsverkehr war naturgemäß bedeutsam. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden Verbindungsstraßen zwischen den wichtigen Orten gebaut. In Georgetown gab es seit 1878 eine elektrische Straßenbahn.

Die erste Eisenbahn auf dem südamerikanischen Kontinent war ab 1848 die acht Kilometer lange Küstenstrecke von Georgetown nach Plaisance, die später auf knapp 100 km bis zum Westufer des Berbice bei Rosignol verlängert wurde.
Eine weitere Strecke begann in Vreed en Hoop und verlief 30 km bis Parika.

Forschungsreisen

1841 wurde der deutsche Forschungsreisende Robert Hermann Schomburgk von der britischen Regierung beauftragt, die Ost- und West-Grenze von Britisch-Guayana zu fixieren. Nach dreijähriger Arbeit hatte er die heute als „Schomburgk-Linie“ bekannte Grenze zu Venezuela sowie zu Niederländisch-Guayana, dem heutigen Suriname, festgelegt.[10]

Außerdem bereiste der britische Geologe und Topograph Charles B. Brown von 1868 bis 1871 im Auftrag der Kolonialverwaltung das meist unerforschte Hinterland der Region zwischen Suriname und Venezuela. Brown war mit der exakten Vermessung der Flussläufe und geologischen Untersuchungen betraut. Dank seiner 40-monatigen Forschungsreisen im tropischen Urwald wurden zahlreiche Einheimischensiedlungen, Lagerstätten von Bodenschätzen und topographische Besonderheiten im Landesinnern dokumentiert.

Siehe auch

Literatur

  • South American handbook; Bath 1935 (Trade & Travel Publ.), S. 194–205.
  • Federation of British Industries; Anglo-South American handbook; 1921, S. 169–90.
  • Clementi, Cecil [Government Secretary ab 1913, später Gouverneur]; Chinese in British Guiana; Georgetown 1915 (Argosy)
  • Rayner, Thomas Crossley [Hrsg.]; Laws of British Guiana; London 1905 (Waterlow & Sons), 5 Bde.
  • Das englische Guayana. In: Illustrirte Zeitung. Nr. 15. J. J. Weber, Leipzig 7. Oktober 1843, S. 227–229 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Cheddi Jagan [Ministerpräsident 1957–64]; Forbidden freedom: the story of British Guiana; London 1989 (Hansib Publ.)
  • Smith, Raymond Thomas; British Guiana; London 1962 (Oxford Univ. Pr.)
  • Rabe, Stepen; U.S. Intervention in British Guiana: A Cold War Story; 2005 (University of North Carolina Press); ISBN 0-8078-2979-X; [Geschichte 1953-69.]
  • Rodway, James; Hand-book of British Guiana; Georgetown 1893 (Royal Agricultural and Commercial Society of British Guiana)
  • Foreman, John; [Geography of British Guiana];

Weblinks

Commons: Britisch-Guayana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. The British Empire in 1924
  2. Anna-Katharina Kraemer: Ersitzung als Gebietserwerbstitel im Völkerrecht Univ.-Diss., Osnabrück 2016, S. 165 f.
  3. Everard Ferdinand Im Thurn: Boundary between British Guiana and Venezuela. s. l. 1879.
  4. The Guiana Boundary Case (Brazil, Great Britain); Reports of International Arbritral Awards, XI, S. 11–23 (englisch)
  5. Brown; Charles B.: Canoe and Camp Life in British Guiana; London 1876. (Digitalisat).
  6. Odeen Ishmael: The Guyana story. From earliest times to independence. Xlibris, Bloomington 2014, ISBN 978-1-4797-9589-5, S. 338.
  7. Bertelsmann Lexikon-Redaktion (Hrsg.): Bertelsmann Weltatlas. 36. Auflage. Bertelsmann, Gütersloh 1960, S. 303 f.
  8. George Bayley (Hrsg.): Handbook of British Guiana, 1909: Comprising General and Statistical Information Concerning the Colony. Georgetown 1909, S. 175.
  9. West Indian Court of Appeal. A bill to provide for the establishment of a Court of Appeal for certain of His Majesty’s colonies in the West Indies. Proquest, Cambridge 1919.
  10. Bericht: Reisen in Britisch-Guiana in den Jahren 1840–1844: nebst einer Fauna und Flora Guiana's nach Vorlagen von Johannes Müller, Ehrenberg, Erichson, Klotzsch, Troschel, Cabanis und Andern; 1847, mehrbändig

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