Brasilianische Streitkräfte

BrasilienStreitkräfte Brasiliens
Forças Armadas do Brasil
Emblem of the Brazilian Armed Forces.svg
Führung
Oberbefehlshaber:Präsident Luiz Inácio Lula da Silva
Verteidigungsminister:José Múcio Monteiro[1]
Militärischer Befehlshaber:General Laerte de Souza Santos[2]
Sitz des Hauptquartiers:Brasília
Militärische Stärke
Aktive Soldaten:366.500 (2021)
Reservisten:1.340.000 (2021)[3]
Wehrpflicht:10 bis 12 Monate (Nur für Männer)
Wehrtauglichkeitsalter:18. – 45. Lebensjahr
Paramilitärische Kräfte:395.000 (2021)[3]
Haushalt
Militärbudget:19,19 Mrd. USD (2021)
Anteil am Bruttoinlandsprodukt:1,2 % (2021)
Geschichte
Gründung:1648
Kadetten der Academia Militar das Agulhas Negras

Die Brasilianischen Streitkräfte (portugiesisch Forças Armadas do Brasil) bestehen aus dem Heer, der Marine einschließlich der Marineinfanterie und den Marinefliegern sowie den Luftstreitkräften. Die paramilitärischen Militärpolizeien der Bundesstaaten zählen im weiteren Sinne als Reserve zu den Streitkräften, unterstehen jedoch nicht deren Organisationsstruktur.

In der brasilianischen Politik und Bevölkerung herrscht nach den Jahrzehnten der brasilianischen Militärdiktatur eine gewisse Vorsicht gegenüber den Streitkräften. Daher ist die Truppenstärke – in Anbetracht der Größe und Bevölkerungszahl Brasiliens – eher gering. Da die lateinamerikanischen Staaten untereinander verbündet sind, sieht sich Brasilien keiner wirklichen äußeren Bedrohung gegenüber, was eine große Truppenstärke unnötig erscheinen lässt.

Die Streitkräfte bestehen aus 366.500 aktiven Soldaten.[3] Es besteht eine Wehrpflicht für Männer ab dem 18. Lebensjahr. Der Grundwehrdienst dauert zehn bis zwölf Monate.[4] Die Staatsausgaben für das brasilianische Militär betrugen im Jahr 2021 rund 19,19 Milliarden US-Dollar, was 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht.[5] In Friedenszeiten wird das Militär auch zum Katastrophenschutz und zum Rettungsdienst, sowie für wissenschaftliche Dienste (auf der Antarktisforschungsstation Estação Antártica Comandante Ferraz) eingesetzt. Oberbefehlshaber der brasilianischen Streitkräfte ist der Staatspräsident, das Oberkommando befindet sich in der Hauptstadt Brasília.

Neben den aktiven Soldaten existieren in Brasilien zwei Einstufungen der Reserve, durch die im Falle einer Mobilisierung von rund 1,12 Millionen bis zu 225.000 Reservisten einberufen werden können. Von den 1,12 Millionen Angehörigen der ersten Reservestufe können 400.000 innerhalb sehr kurzer Zeit aktiviert werden.

Teilstreitkräfte

Heer

Der deutsche Leopard 1 in der Version A1 aus den 1960er Jahren ist der wichtigste Kampfpanzer des brasilianischen Heeres

Das brasilianische Heer (Exército Brasileiro) ist mit 214.000 Soldaten die größte Teilstreitkraft des Landes. Das Heer verfügt über insgesamt 30 Brigaden, davon sind 14 Infanterie- und 8 Panzer- bzw. mechanisierte Brigaden.[3] Die Geografie des Landes erfordert die Überwachung einer langen Grenzlinie und großer unbesiedelter Gebiete, was die Schwerpunktsetzung auf die Infanterie erklärt. Die Unzugänglichkeit eines Großteils der Grenzgebiete (Tropischer Regenwald, Gebirge) ermöglicht gleichzeitig den Verzicht auf eine starke Panzerwaffe. Die rund 350 vorhandenen Kampfpanzer (wie auch ein Großteil der rund 600 Artilleriegeschütze und die 1800 gepanzerten Fahrzeuge) sind mittlerweile veraltet. So bilden der Leopard 1 und der M60 noch immer das Rückgrat der Panzertruppe. Abhilfe soll die Beschaffung von 240 kampfwertgesteigerten Leopard 1A5 aus Beständen der Bundeswehr schaffen. Der in den 1980er Jahren von Engesa entwickelte Kampfpanzer EE-T1 Osório kam aus finanziellen Gründen nie über den Prototypenstatus hinaus.

Die riesigen Regenwaldgebiete des Landes haben zu einer Spezialisierung der brasilianischen Infanterie auf den Dschungelkampf geführt. Sechs Brigaden des Heeres sind besonders dafür ausgebildet und ausgerüstet,[3] zudem existiert eine eigene Dschungelkampfschule. Seit 1957 verfügt Brasilien auch über von den Vereinigten Staaten ausgebildete Spezialkräfte in Brigadestärke. Das Heer verfügt über rund 91 Hubschrauber, vorwiegend von der Firma Airbus Helicopters.[6]

Luftstreitkräfte

Saab 39 Gripen NG

Die brasilianischen Luftstreitkräfte Força Aérea Brasileira sind mit 67.500 Soldaten die zweitgrößte Teilstreitkraft und gleichzeitig die größten Luftstreitkräfte Lateinamerikas.[3] Der Luftwaffe kommt eine besondere Rolle zu, da sie mit ihrer hohen Reichweite das brasilianische Hinterland und weite Seegebiete abdecken kann. Die Flugzeuge und Hubschrauber kommen meist aus den Vereinigten Staaten oder Europa. Vermehrt werden in letzter Zeit Produkte vom brasilianischen Hersteller Embraer beschafft, um unabhängiger von Importen zu werden. Das Rückgrat der brasilianischen Luftwaffe bilden 42 F-5 Tiger II-Jagdflugzeuge und die neu beschafften Saab 39 Mehrzweckkampfflugzeuge.[6]

Nachdem Venezuela in Russland Mi-35-Kampfhubschrauber, den Transporthubschrauber Mi-26T und das Mehrzweckjagdflugzeug Su-30 MK2 gekauft hatte, begann Brasilien Ende 2006 mit einer Ausschreibung, die Ende 2013 durch die Saab 39 Gripen gewonnen wurde. Die 36 bestellten Gripen sollen ab 2018 die veralteten Mirage 2000 ablösen.[7] Die ersten dieser Flugzeuge wurden im April 2022 ausgeliefert.[8] Ebenfalls angekündigt wurde der Kauf von zwei Hubschrauberstaffeln mit den Typen Mi-35 und Mi-17, die gegen den Drogenhandel eingesetzt werden sollen.

Marine

Flugzeugträger NAe São Paulo
Korvette Barroso (V-34)

In der brasilianischen Marine (Marinha do Brasil) dienen 85.000 Soldaten, einschließlich der brasilianischen Marineinfanterie und den Marinefliegern.[3] Bei ihr handelt es sich um die größten und auch am besten ausgerüsteten Seestreitkräfte Lateinamerikas. Das größte Schiff der Marine war bis zu seiner Außerdienststellung im November 2018 der Flugzeugträger São Paulo, der insgesamt zweite Flugzeugträger in der Geschichte der brasilianischen Marine. Bedingt durch das große Flusssystem, das sich weit in das Festland erstreckt, verfügt die Marine über eine große Anzahl an Patrouillenbooten und leichten Kampfschiffen, die die Binnengewässer sichern sollen. Im Bereich der Binnengewässer unterstützt die Marine das Heer und verfügt deshalb über Amphibienfahrzeuge und Kampfpanzer.

Für den Einsatz auf hoher See verfügt die Marine über größere Kampfschiffe verschiedener Klassen, unter anderem über eine Lenkwaffenfregatte der Greenhalgh-Klasse, fünf Fregatten der Niteroi, eine Korvette der Inhaúma sowie fünf U-Boote der Klasse 209.[3]

Neubauprogramm

2008 wurde eine Korvette der Barroso-Klasse in Dienst gestellt, 2017 befanden sich drei von vier geplanten U-Booten der französischen Scorpène-Klasse im Bau. Das erste U-Boot dieser Klasse, die Riachuelo (S-40), wurde im September 2022 in Dienst gestellt.[9]

Militärpolizei

Die Teilstreitkräfte verfügen über eine eigene Militärpolizei; die Marine über die Companhias de Polícia do Batalhão Naval, das Heer über die Polícia do Exército und die Luftwaffe über die Polícia da Aeronáutica. Die brasilianischen Militärischen Polizeien wie z. B. die Polícia Militar do Estado de São Paulo sind aus den Milizen der Bundesstaaten entstandene staatliche Polizeien analog z. B. zu den deutschen Landespolizeien. Sie sind militärisch organisiert und stehen im Bedarfsfall als Reserve der Armee zur Verfügung,[10] werden jedoch nicht zu den Teilstreitkräften gezählt.

Atomwaffenprogramm

Während der Militärdiktatur bestand von 1964 bis 1985 ein langjähriges, geheimes Kernwaffenprojekt. Deutschland unterstützte das Land auf dem Gebiet der friedlich genutzten Kernenergie unter anderem für das Kernkraftwerk Angra 3 und lieferte dem Land Kernreaktoren. Es war auch vorgesehen, in Resend eine Anlage zur Uran-Anreicherung nach dem Trenndüsenverfahren durch die deutsche Industrie zu errichten. Mit dieser Anlage wäre eine Anreicherung zu Bombenmaterial praktisch kaum möglich gewesen. Diese Anreicherungsanlage wurde jedoch nie gebaut. Wie viel deutsches Know-how in das Kernwaffenprojekt flossen und wie viel die deutsche Regierung über das brasilianische Kernwaffenprojekt wusste, lässt sich allerdings nur schwer sagen. Es wird vermutet, dass es eine Kooperation mit Argentinien gab, das ebenfalls versuchte Atomwaffen zu bauen. In den 1980er Jahren war das Projekt bereits sehr weit fortgeschritten, es ist anzunehmen, dass Brasilien kurz vor der Atombombe stand.

Die Generäle ließen unter anderem einen Geheimplan für die unterirdische Testzündung eines Atomsprengsatzes im Regenwald des Amazonas entwickeln. Mit dem Übergang zur Demokratie hat Brasilien das Kernwaffenprojekt schließlich aufgegeben, und im Jahre 1998 den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben. Im Mai 2006 wurde erneut mit der Urananreicherung begonnen. Brasilien betreibt derzeit zwei Kernkraftwerke, ein Drittes sollte gebaut werden, wobei 2019 die veralteten Teile immer noch auf Lager waren.[11] Am 10. Juli 2007 gab Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Ausbau des Atomprogramms bekannt und plant auch den Bau eines Atom-U-Boots bis 2015. Das Atom-U-Boot „SN-10 Álvaro Alberto“ soll im Jahr 2029 mit der Seeerprobung beginnen. Die Bau- und Entwicklungskosten beliefen sich 2020 auf rund 7,4 Milliarden US-Dollar. Bis 2047 sollen sechs solcher Einheiten gebaut werden, wobei die U-Boote sechs Meter lang sein sollen, einen Durchmesser von 9,8 Metern haben und etwa auf 6.000 Tonnen Verdrängung kommen.[12]

Abbildungen

Siehe auch

Literatur

  • Adrian J. English: Armed forces of Latin America. Their histories, development, present strength and military potential, London (Jane’s) 1984. ISBN 0-7106-0321-5
  • Francis Daniel McCann: Soldiers of the Pátria. A history of the Brazilian army, 1889–1937, Stanford, CAL (Stanford University Press) 2003. ISBN 0-8047-3222-1
  • Nelson Werneck Sodré: História militar do Brasil, Rio de Janeiro (Ed. Civilização Brasileira) 1965.
  • Gilberto Calcagnotto: Das Militär auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern: Brasilien, in: Kurtenbach, Sabine/Bodemer, Klaus/Nolte, Detlef (Hrsg.): Sicherheitspolitik in Lateinamerika. Vom Konflikt zur Kooperation?, Opladen 2000. ISBN 3-8100-2509-7
  • Daniel Flemes: Südamerikas sicherheitspolitische Transparenz auf dem Prüfstand (II). Brasiliens Verteidigungsdoktrin – Regionalmacht ohne Militärweißbuch. Institut für Iberoamerikakunde, Arbeitspapier 15, Hamburg, 2004.
  • Daniel Flemes: Brazil’s cooperative leadership in Southern Latin America’s security policies. Berlin 2006. ISBN 3-86624-089-9
  • Nicolas Forster: Brasilien am Vorabend des Zweiten Weltkrieges: eine Situationsanalyse unter besonderer Berücksichtigung der „Força Expedicionária Brasileira“. Wien, Univ., Diss., 2010 (othes.univie.ac.at PDF).

Weblinks

Commons: Brasilianische Streitkräfte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Agenda de Paulo Sérgio Nogueira de Oliveira Paulo Sérgio Nogueira de Oliveira. In: www.gov.br. Abgerufen am 14. September 2022.
  2. Agenda de General de Exército Laerte de Souza Santos General de Exército Laerte de Souza Santos. In: www.gov.br. Abgerufen am 14. September 2022.
  3. a b c d e f g h International Institute for Strategic Studies (Hrsg.): The Military Balance 2022. 122. Auflage. Taylor & Francis, 2022, ISBN 978-1-03-227900-8, S. 399–403.
  4. The World Factbook–Brazil. Central Intelligence Agency, abgerufen am 14. September 2022 (englisch).
  5. SIPRI Military Expenditure Database. Stockholm International Peace Research Institute, abgerufen am 14. September 2022.
  6. a b World Air Forces 2022. (PDF) Flight International, abgerufen am 14. September 2022.
  7. Brasilien kauft Saab-Kampfjets. In: Tageblatt Online. www.tageblatt.lu, 18. Dezember 2013, abgerufen am 19. Dezember 2013.
  8. Erste Gripen E in Brasilien angekommen. Flug Revue, 3. April 2022, abgerufen am 14. September 2022.
  9. Hans-Uwe Mergener: Marinha do Brasil: „S-40 Riachuelo“ in Dienst gestellt. Europäische Sicherheit & Technik, 6. September 2022, abgerufen am 14. September 2022.
  10. Reserve
  11. Deutsche Welle (www.dw.com): Atomabkommen mit Brasilien verlängert | DW | 14.11.2019. Abgerufen am 21. Januar 2023 (deutsch).
  12. MarineForum: Brasilianische Marine: Meilenstein im ehrgeizigen U-Bootprogramm erreicht. 7. September 2022, abgerufen am 21. Januar 2023 (deutsch).

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