Bernhard Dernburg

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Bernhard Dernburg (Juli 1931)

Bernhard Dernburg (* 17. Juli 1865 in Darmstadt; † 14. Oktober 1937 in Berlin) war ein deutscher Politiker und Bankier.

Leben und Wirken

Dernburg war ein Sohn des Publizisten und nationalliberalen Politikers Friedrich Dernburg (1833–1911), der aus einer jüdischen Gelehrtenfamilie stammte, zum evangelisch-lutherischen Glauben konvertiert war und 1864 die Pastorentochter Luise Stahl geheiratet hatte. Nach Tätigkeiten bei verschiedenen Banken, u. a. der Deutschen Bank, wurde Bernhard Dernburg 1889 Direktor der Deutschen Treuhand-Gesellschaft, ein Vorläufer der heutigen Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG. 1901 wechselte er als Vorstand zur Darmstädter Bank für Handel und Industrie.

Er erwarb sich früh einen Ruf als Sanierer. Aufgrund seiner Erfolge gab ihm die Berliner Geschäftswelt den Ehrentitel „Sanitätsrat“.[1] So gründete er 1901 zusammen mit Hugo Stinnes aus verschiedenen unprofitablen Unternehmen die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG (DL), die in der Folge schnell zu einem der größten und expansivsten deutschen Montankonzerne wurde. Dernburg hatte zahlreiche Aufsichtsratsmandate in der Schwerindustrie inne, so bei der DL und der Phönix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb.

Dernburg war 1902 auch federführend an der Umwandlung des Kölner Schokoladenunternehmens Gebr. Stollwerck OHG in eine Familien-Aktiengesellschaft (Gebrüder Stollwerck AG) beteiligt. Aufgrund seiner Erfahrungen, die er in USA mit Vorzugsaktien gesammelt hatte, wurden auch bei Stollwerck diese Aktien eingeführt. Dernburg übernahm mit seiner Darmstädter Bank die Rolle des Konsortialführers bei der Umwandlung und erhielt ein Aufsichtsratmandat bei der Gebr. Stollwerck AG.

Bernhard Dernburg (gekennzeichnet durch „B.D.“, Mitte rechts) in Deutsch-Ostafrika (1907)

1906 wechselte Dernburg in die Politik, zuerst als preußischer Bevollmächtigter beim Bundesrat. Am 10. September 1906 übernahm er die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes. Im Mai 1907 wurde er Staatssekretär der zum Reichskolonialamt erhobenen Kolonialabteilung (von dem Amt trat er 1910 zurück[2]). Die gegnerische Presse kolportierte, dass Dernburg nach seiner Ernennung darauf bestand, mit „Exzellenz“ angeredet zu werden.[3] Mit Dernburgs Namen ist ein grundlegender Reformkurs in der deutschen Kolonialpolitik verbunden.[4] Nach den Worten Dernburgs sollte nunmehr mit „Erhaltungsmitteln“ anstelle von „Zerstörungsmitteln“ kolonisiert werden. Nicht mehr alkohol- und waffenhandelnde Kompanien sollten die Kolonialwirtschaft prägen, sondern der Missionar, der Arzt, die Eisenbahn und die Wissenschaft. Der Eingeborene sei der wichtigste „Gegenstand“ der Kolonisation und die manuelle Leistung des Eingeborenen bilde das wichtigste Aktivum.[5] Das Ziel dieser überseeischen Wirtschaftsförderung blieb gleichwohl die größtmögliche Ausschöpfung der dortigen Arbeitskräfte durch die Kolonialisten.[6]

Dernburg leitete zahlreiche Disziplinarverfahren ein, zog mächtige und berüchtigte Kolonialbeamte wie Gouverneur Jesko von Puttkamer zur Rechenschaft und entließ für den Neustart ältere Beamte.[7] Als erster hoher Kolonialbeamter dieses Ranges sah er sich die Probleme in den Kolonien auch „vor Ort“ an. Er war 1907 in Deutsch-Ostafrika und reiste 1908 ins britische Südafrika sowie nach Deutsch-Südwestafrika. Als Reaktion auf Kritik an der Privilegierung großer Kapitalgesellschaften trat er 1910 als Staatssekretär zurück.[8]

Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich Dernburg an der Gründung der DDP und wurde Mitglied des Reichsvorstandes. Er gehörte 1919/20 der Weimarer Nationalversammlung an. Vom 17. April bis 20. Juni 1919 war Dernburg im Kabinett Scheidemann Finanzminister und Vizekanzler des Deutschen Reiches.

Wandgrabstelle

1920 bis 1930 gehörte er dem Reichstag als Abgeordneter der DDP an. Bernhard Dernburg fand seine letzte Ruhe auf dem Friedhof Grunewald in der Abt. IV Erb. 17. Die Wandgrabstelle wurde nach einem Entwurf von Max Seliger ausgeführt.

Siehe auch

Veröffentlichungen

  • Koloniale Finanzprobleme, 1907.
  • Koloniale Lehrjahre, 1907.
  • Südwestafrikanische Eindrücke, 1909.
  • Industrielle Fortschritte in den Kolonien, 1909.
  • Der Reichstag und die Kolonien. Reichstagsrede, Berlin, 29. November (online).

Literatur

  • Werner Schiefel: Bernhard Dernburg 1865–1937. Kolonialpolitiker und Bankier im wilhelminischen Deutschland (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Band 11), Atlantis, Zürich / Freiburg im Breisgau 1974, ISBN 3-7611-0445-6 (zugleich: Dissertation, Philosophische Fakultät, Universität Münster, 1972).
  • Oskar Bongard: Staatssekretär Dernburg in Britisch- und Deutsch-Süd-Afrika. Süsserott, Berlin 1908.
  • Gerhard A. RitterDernburg, Bernhard Jakob Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 607 f. (Digitalisat).
  • Hartmut Bartmuß: Bernhard Dernburg – Kolonialpolitiker der Kaiserzeit. Herausgegeben vom Centrum Judaicum, Hentrich & Hentrich, Berlin 2014, ISBN 978-3-95565-034-6 (= Jüdische Miniaturen, Band 148).
  • Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1.

Weblinks

Commons: Bernhard Dernburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gerald D. Feldman: Hugo Stinnes. Biographie eines Industriellen 1870–1924. C.H. Beck, München 1998, S. 77. ISBN 3-406-43582-3.
  2. Hermann A. L. Degener: Wer ist's?, VI. Ausgabe, Leipzig 1912, S. 294.
  3. Der furor protestanticus von 1906–1912, in: Germania Nr. 25, 1. Februar 1912, S. 1.
  4. Wilfried Westphal: Geschichte der deutschen Kolonien. Gondrom, Bindlach 1991, ISBN 3-8112-0905-1, S. 254 ff.
  5. Franz Ansprenger: Geschichte Afrikas. 2. Auflage, C.H.Beck, München 2004, ISBN 978-3-406-47989-2, S. 92.
  6. Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017047-8, S. 140 f.
  7. Frank Bösch: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914. Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-58857-6, S. 303 f.
  8. Imanuel Geiss: Geschichte griffbereit. Band 2: Personen. Die biographische Dimension der Weltgeschichte. (=rororo-Handbuch 6236), 2. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 978-3-611-00317-2, S. 245.
VorgängerAmtNachfolger
–––––Staatssekretär im Reichskolonialamt
19071910
Friedrich von Lindequist

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Reichsadler des Preußisch-Deutschen Kaiserreiches ab 1889.
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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Bernhard Dernburg, der Leiter der Akzept- und Garantiebank.
Der ehemalige Staatsminister des Reichskolonial-Amts Bernhard Dernburg ist zum Leiter der von den Grossbanken gegründeten Akzept- und Garantiebank ernannt worden.
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Staatssekretär Bernhard Dernburg (gekennzeichnet durch "B.D.") in Deutsch-Ostafrika. Er wird begleitet von Walther Rathenau (gekennzeichnet durch "W.R.", rechts im Bild)

Wappen Deutsches Reich (Weimarer Republik).svg
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Wappen des Deutschen Reiches in der Frühzeit der Weimarer Republik. Eingeführt mit der

Bekanntmachung betreffend das Reichswappen und den Reichsadler vom 11. November 1919.

»Auf Grund eines Beschlusses der Reichsregierung gebe ich hiermit bekannt, daß das Reichswappen auf goldgelben Grunde den einköpfigen schwarzen Adler zeigt, den Kopf nach rechts gewendet, die Flügel offen, aber mit geschlossenem Gefieder, Schnabel, Zunge und Fänge von roter Farbe.

Wird der Reichsadler ohne Umrahmung dargestellt, so sind das gleiche Bild und die gleichen Farben, wie beim Adler im Reichswappen, zu verwenden, doch sind die Spitzen des Gefieders nach außen gerichtet.

Die im Reichsministerium des Innern verwahrten Muster sind für die heraldische Gestaltung des Reichswappens maßgebend. Die künstlerische Ausgestaltung bleibt für jeden besonderen Zweck vorbehalten.


Berlin, den 11. November 1919.

Der Reichspräsident
Ebert

Der Reichsminister des Innern
Koch«

Quelle: http://www.documentarchiv.de/wr/rwappen.html


1928 wurde dieses Wappen durch das neue Reichswappen von Tobias Schwab abgelöst, das Theodor Heuss im Februar 1950 auch als Bundeswappen verkündete: Reichs- bzw. Bundeswappen
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