Berliner Weißbier

Franz Skarbina: Weißbierausschank im Hinterhofgarten – Garten der Berliner Weißbierbrauerei Gabriel & Jäger, um 1878
Berliner Weisse
Anfang der 2000er Jahre
Schultheiss Original Berliner Weisse
Weisse der Leipziger Gose-Brauerei Bayrischer Bahnhof
Berliner Weißbiere verschiedener Brauereien, 2020
Berliner Weißbier mit Himbeersirup

Berliner Weißbier ist ein obergäriges Bier, das mit einem großen Anteil Weizenmalz gebraut wird. Die Gärung erfolgt mit einer Mischkultur aus obergäriger Hefe (Saccharomyces cerevisiae) und Milchsäurebakterien. Außerdem können an der Gärung und Reifung weitere Hefen, insbesondere Brettanomyces bruxellensis, beteiligt sein. In der Regel ist Berliner Weißbier ein Schankbier.[1] Berliner Weiße, auch Berliner Weisse geschrieben, ist ein Synonym[2] und eine geschützte Herkunftsbezeichnung für Berliner Weißbier, die nur Berliner Brauereien verwenden dürfen.[3]

Geschichte

Ursprünge

Berliner Weißbier hat seinen Ursprung wahrscheinlich im 16. Jahrhundert. Der allgemein verbreiteten Legende zufolge soll es aus dem Halberstädter Broyhan hervorgegangen sein; aber auch das Breslauer Weißbier Schöps könnte als Vorbild gedient haben. Berliner Brauer veränderten später die Rezeptur und stellten Weißes Bier her, welches seine Vorbilder an „Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit noch übertraf“. Dieses „Berlinische Weitzenbier“ wurde urkundlich 1680 (nach anderer Quelle 1642) erstmals erwähnt.[4] Nach 1700 entwickelte es sich zum Lieblingsgetränk der Berliner. Unternehmer wie Breithaupt in der Palisadenstraße betrieben erfolgreiche Spezialbrauereien. Um 1800, als Bier nach Pilsener Brauart noch unbekannt war, gab es in Berlin rund 700 Weißbierlokale.[5]

Einer weit verbreiteten Legende zufolge sollen die Soldaten Napoleons I. zu Anfang des 19. Jahrhunderts, als sie sich in Berlin als Besatzungstruppen aufhielten, das Berliner Weißbier als „Champagne du Nord“ bezeichnet haben.

Familie Landré

Charles Fréderic Edouard Landré (1791–1843) stammte aus einer Hugenottenfamilie. Ende des 17. Jahrhunderts war seine Familie aus Gien an der Loire ihres Glaubens wegen nach Genf geflohen. Er zog bald weiter nach Berlin und erwarb 1835 eine schon bestehende Weißbier-Brauerei in der Stralauer Straße 36.[6] Seine Witwe Johanna Landré führte das Unternehmen bis 1852 weiter. Dann übernahm ihr ältester Sohn Charles Adolphe Landré die Brauerei. Johanna Landré erwarb 1856 noch eine weitere Brauerei – die Kluge’sche Weißbierbrauerei –, die ihren Sitz in der Münzstraße 3 hatte. Sie wurde von ihrem jüngsten Sohn Jean Charles Landré erfolgreich bewirtschaftet.[7] Die Weißbierbrauerei in der Münzstraße wurde 1870/71 zur Straßburger Straße 6–9 verlegt, wo sich bereits zuvor die Mälzerei der Familie Landré befand. Daraus wurde die Berliner Weißbierbrauerei AG.[8] Im Jahr 1917, lange nach dem Tod der Brüder Landré, wurden die beiden Weißbierbrauereien zusammengelegt. An das Wirken der Familie erinnert seit 1909 die Landréstraße im Berliner Ortsteil Kaulsdorf.[9]

Weitere Weißbierbrauereien in Berlin im 19./20. Jahrhundert

  • Das war die größte Brauerei von Berliner Weisse (Schultheiss Original Berliner Weisse; Berliner Kindl Weisse).
  • Breithaupt & Willner[10]
  • Im Jahr 1916 nennt das Berliner Adressbuch mit Landré 19 Weißbierbrauereien in Alt-Berlin.[11]

Seit der deutschen Wiedervereinigung

In den letzten Jahrzehnten kam es durch den Zusammenschluss von Brauereien (Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei) zur Produktionseinstellung der Schultheiss Original Berliner Weisse sowie weiterer verschiedener Berliner Weißbiere. Ohne merkliche Unterbrechung wurde lediglich Berliner Kindl Weisse weiterhin hergestellt und ist als Weisse pur sowie fertig gemischt mit Himbeer- oder Waldmeisterzusatz verfügbar. Mit Beginn der deutschen Craft-Beer-Bewegung in den 2010er Jahren begannen zusätzlich verschiedene kleinere Brauereien mit der Herstellung von Berliner Weißbieren. Darüber hinaus wird Berliner Weisse, teilweise unter verschiedenen anderslautenden Bezeichnungen gebraut.

Mischgetränke

Der Genuss von Berliner Weißbiersorten als Mischgetränk war lange Zeit unüblich. Man trank das Bier allenfalls zusammen mit Kümmelschnaps oder Korn als „Weiße mit Strippe“. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts soll der Berliner Brauer Josty dem Bier Kräuter beigegeben haben, vornehmlich Waldmeister. Später setzte sich die Zugabe von Himbeer- oder Waldmeister-Sirup durch („Weiße mit Schuss“), beides wurde erst im Glas gemischt („rot oder grün“) und mit Strohhalm serviert. Im beginnenden 21. Jahrhundert nahmen im Handel fertige Mischungen in der Flasche an Breite und Menge zu. Mit dem sinkenden Bierverbrauch seit den 1990er Jahren nahm allgemein die Angebotsbreite von Biermischgetränken zu. So gibt es fertige Mischungen von Berliner Weißbier mit Schwarzer Johannisbeere, Sauerkirsche, Holunderblüte oder auch Piña Colada, meist als Aromazusatz.

Literatur

  • Gustav Stresemann: Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts. Dissertation der Universität Leipzig, Leipzig 1900, (archive.org).
  • Franz Schönfeld: Das Berliner Weißbier. In: ders.: Obergärige Biere und ihre Herstellung. Verlag Paul Parey, Berlin 1938, S. 149–160.
  • Frank-Jürgen Methner: Über die Aromabildung beim Berliner Weißbier unter besonderer Berücksichtigung von Säuren und Estern. Dissertation an der Technischen Universität Berlin, Berlin 1987.

Einzelnachweise

  1. Definition gemäß: Berliner Weißbier. In: Glossar. In: Gerolf Annemüller, Hans J. Manger, Peter Lietz (Hrsg.): Die Berliner Weiße – Ein Stück Berliner Geschichte. 2. erweiterte Auflage. Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei, Berlin 2018, ISBN 978-3-921690-86-4, S. 324
  2. Berliner Weiße. In: Glossar. In: Gerolf Annemüller, Hans J. Manger, Peter Lietz (Hrsg.): Die Berliner Weiße – Ein Stück Berliner Geschichte. 2. erweiterte Auflage. Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei, Berlin 2018, ISBN 978-3-921690-86-4, S. 324. Dort heißt es weiter: „Auf Etiketten wird teilweise ‚Weisse‘ oder ‚Weissbier‘ geschrieben. Diese Schreibweise ist nach dem DUDEN falsch, aber von einigen Herstellern wurde diese Schreibweise als Warenzeichen beim Kaiserlichen Patentamt und seinen Nachfolgeorganisationen, gegenwärtig das Deutsche Patent-und Markenamt, angemeldet und zum Teil bestätigt.“
  3. Ludwig Narziß, Werner Back, Martina Gastl, Martin Zarnkow: Abriss der Bierbrauerei. John Wiley & Sons, 2017, ISBN 3-527-69673-3, online
  4. bierundwir.de (Memento vom 15. März 2012 im Internet Archive)
  5. Berliner Weisse – leicht und erfrischend
  6. Landré. In: Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Berlin, Charlottenburg und Umgebungen, 1840, Teil 1, S. 217. „Landré, Braueigen, Stralauerstr. 36, Eigentümer“.
  7. Brauereien. In: Berliner Adreßbuch, 1854, Teil II, S. 190. „Bairisch-Bier / Bitter-Bier / Braun-Bier / Kartoffel-Bier / Malz-Bier / Porter-Bier / Werdersches Bier / 13 Weiß-Bier-Brauereien: darunter: Landré in Stralauerstraße 36 und Kluge in Münzstr. 3, des Weiteren: Bier in Stralauerstr. 4–6, F.W.A. Bötzow in Neue Königstr. 18, L.A.Bolle in Französischestr. 9/10, G.F.Bugge in Klosterstr. 10, Conrad in Zimmerstr. 40, F.W.Dietz in Niederwallstr. 7, G. Dietz in Friedrichstr. 128, Haack in Neue Königstr. 32, Kagermann in Köpnickerstr. 96, Radike in neue-Grünstr 11, Richter in Rosenthalerstr. 51“.
  8. Rolf Gänsrich: Die Berliner Weißbier-Brauerei AG.@1@2Vorlage:Toter Link/www.prenzlberger-ansichten.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: prenzlberger-ansichten.de, 2015
  9. Landréstraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  10. Unsere Berliner Weisse ist als Sommerdrink eine echte Berühmtheit. Berlins Bier hat im Sommer die Weisheit gepachtet, www.bz-berlin.de, Juli 2023, abgerufen am 20. April 2024.
  11. Bierbrauereien > Weißbier. In: Berliner Adreßbuch, 1916, Teil IV, S. 38.

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Berliner Weisse mit Himbeersirup und Strohhalm wie sie in Berlin serviert wird