Berliner Schulgesetz

Basisdaten
Titel:Schulgesetz für das Land Berlin
Kurztitel:Schulgesetz
Abkürzung:SchulG
Art:Landesgesetz
Geltungsbereich:Berlin
Erlassen aufgrund von:Art. 70 I GG - Allgemeine Gesetzgebungskompetenz der Länder
Rechtsmaterie:Schulrecht
Fundstellennachweis:VOBl. I 1948, 358
Ursprüngliche Fassung vom:26. Juni 1948[1]
Inkrafttreten am:1. Juni 1948
Letzte Neufassung vom:26. Januar 2004
Inkrafttreten der
Neufassung am:
1. Februar 2004[2]
Letzte Änderung durch:4. Oktober 2023[3]
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
14. Oktober 2023[4]
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das aktuelle Schulgesetz für das Land Berlin (SchulG) gibt es seit dem 26. Januar 2004. Historisch ist es das dritte Schulgesetz seit dem Kriegsende 1945. Alle drei bisherigen Schulgesetze sind durch Änderungsgesetze immer wieder verändert worden, um Bildungsreformen, Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz (KMK) und kurzfristige Erfordernisse wie Besonderheiten in der Corona-Epidemie umzusetzen.

Gesetzesstruktur

Das Gesetz ist wie folgt strukturiert:

  • Teil I: Auftrag der Schule und Recht auf Bildung und Erziehung, Anwendungsbereich (§ 1 - § 6)
  • Teil II: Schulgestaltung (§ 7 - § 16)
    • Abschnitt I: Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, Qualitätssicherung (§ 7 - § 9)
    • Abschnitt II: Gestaltung von Unterricht und Erziehung (§ 10 - § 16)
  • Teil III: Aufbau der Schule (§ 17 - § 40)
    • Abschnitt I: Gliederung und Organisation (§ 17 - § 19)
    • Abschnitt II: Primarstufe (§ 20)
    • Abschnitt III: Sekundarstufe I (§ 21 - § 27)
    • Abschnitt IV: Sekundarstufe II (§ 28 - § 35)
    • Abschnitt V: Sonderpädagogische Förderung (§ 36 - § 39)
    • Abschnitt VI: Weitere Bildungsgänge (§ 40)
  • Teil IV: Schulpflicht (§ 41 - § 45)
  • Teil V: Schulverhältnis (§ 46 - § 66)
    • Abschnitt I: Allgemeine Bestimmungen (§ 46 - § 53)
    • Abschnitt II: Aufnahme in die Schule (§ 54 - § 57)
    • Abschnitt III: Lernerfolgsbeurteilung, Versetzung, Prüfungen, Anerkennungen (§ 58 - § 61)
    • Abschnitt IV: Maßnahmen bei Erziehungskonflikten (§ 62 - § 63)
    • Abschnitt V: Datenschutz (§ 64 - § 66)
  • Teil VI: Schulverfassung (§ 67 - § 93)
    • Abschnitt I: Schulpersonal, Schulleitung (§ 67 - § 74a)
    • Abschnitt II: Schulkonferenz (§ 75 - § 78)
    • Abschnitt III: Konferenzen der Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 79 - § 82)
    • Abschnitt IV: Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler in der Schule (§ 83 - § 87)
    • Abschnitt V: Mitwirkung der Erziehungsberechtigten in der Schule (§ 88 - § 91)
    • Abschnitt VI: Ergänzende Vorschriften (§ 92 - § 93)
  • Teil VII: Schulen in freier Trägerschaft (§ 94 - § 104)
    • Abschnitt I: Allgemeine Bestimmungen (§ 94 - § 96)
    • Abschnitt II: Ersatzschulen (§ 97 - § 101)
    • Abschnitt III: Ergänzungsschulen (§ 102 - § 103)
    • Abschnitt IV: Ergänzende Bestimmungen (§ 104)
  • Teil VIII: Schulverwaltung (§ 105 - § 109)
  • Teil IX: Bezirks- und Landesgremien (§ 110 - § 115)
  • Teil X: Gemeinsame Bestimmungen (§ 116 - § 121)
  • Teil XI: Volkshochschulen, Musikschulen, Jugendkunstschulen, Jugendverkehrsschulen und Gartenarbeitsschulen (§ 123 - § 124a)
  • Teil XII: Übergangs- und Schlussvorschriften (§ § 125 - § 131)

Verfassungsrechtliche Vorgaben

© Jörgens.mi, CC BY-SA 3.0
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland trifft in Artikel 7 folgende Festlegungen:

„(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.“[5]

Auch die Verfassung von Berlin legt in Artikel 20 das Recht auf Bildung fest.

Wesentliche Gesetzesinhalte

Anwendungsbereich

Das Gesetz gilt für alle öffentlichen Schulen in Berlin.[6] Für Privatschulen gilt es nur, sofern dies explizit bestimmt ist.[7]

Auftrag der Schule

Die Schule hat die Aufgabe, die Entfaltung der Schüler zu fördern und ihnen Urteilsfähigkeit, gründliches Wissen und Können zu vermitteln.[8] Hierbei sollen die Schüler eine Persönlichkeit entwickeln, welche dem Nationalsozialismus entgegenstehen kann und Demokratie, Menschenwürde, Geschlechtergleichstellung, Völkerverständigung und der Verantwortung vor der Gesellschaft als wesentliche Grundwerte akzeptiert.[9]

„Dabei sollen die Antike, das Christentum und die für die Entwicklung zum Humanismus, zur Freiheit und zur Demokratie wesentlichen gesellschaftlichen Bewegungen ihren Platz finden.“[10]

Recht auf Bildung und Erziehung

Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Bildung und Erziehung.[11] Das Gesetz dient insofern der Umsetzung des Artikels 20 der Verfassung von Berlin.[12] Schulen müssen sich ein Schulprogramm geben,[13] welches festlegt, wie das Recht auf Bildung und Erziehung verwirklicht werden soll[14].

Ziele von Bildung und Erziehung

§ 3 des Schulgesetzes legt einen Katalog von Bildungs- und Erziehungszielen fest. Unter anderem zielt die Schulbildung auf selbstständige Meinungsbildung[15], Logik und Eigeninitiative[16], Konfliktbewältigung[17] und Sport[18].

Rechtsstellung der Schulen

Schulen sind nicht rechtsfähige Anstalten öffentlichen Rechts.[19] Sie dürfen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für das Land Berlin handeln.[20] Ihre Angelegenheiten regeln sie grundsätzlich in eigener Verantwortung.[21]

Religions- und Weltanschauungsunterricht

„Über die Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden die Erziehungsberechtigten durch schriftliche Erklärung gegenüber der Schulleiterin oder dem Schulleiter. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres steht dieses Recht den Schülerinnen und Schülern zu.“[22]

Wer nicht am Religionsunterricht teilnimmt, kann unterrichtsfrei gelassen werden.[23]

Schulpflicht

Schulpflichtig ist, wer in Berlin seine Wohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat.[24] Die Schulpflicht beginnt mit Aufnahme in die Schule.[25] Die allgemeine Schulpflicht dauert zehn Jahre, es müssen eine Grundschule und eine weiterführende Schule besucht werden.[26] Nach der neunten Klasse darf die allgemeine Schulpflicht auch durch Besuch einer Berufsschule erfüllt werden.[27] Im Anschluss beginnt die Berufsschulpflicht.[28] Die Schulpflicht ist zwangsweise durchsetzbar[29] und der Verstoß gegen sie bußgeldbewehrt.[30]

Schulgeldfreiheit

Schulgeld wird nicht erhoben.[31]

Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen

Erziehungsmaßnahmen sind das vorrangige Mittel zur Lösung von Erziehungskonflikten. Hatten diese keinen Erfolg, können Ordnungsmaßnahmen verhängt werden.[32] Die Eltern sind über beide Arten zu unterrichten.[33]

Mitwirkung

Es werden Gremien für Schüler[34], Eltern[35] und Lehrkräfte[36] gebildet. Ferner gibt es gemeinsame[37] und auch überschulische[38] Versammlungen.

Geschichte

Das erste Schulgesetz für (Groß-)Berlin wurde am 13. November 1947 von der Stadtverordnetenversammlung der noch ungeteilten Stadt beschlossen. Die Alliierte Kommandantur bestand auf der Bezeichnung Gesetz für Schulreform[39]. Am 1. Juni 1948 trat dieses Gesetz nach der Genehmigung durch die Alliierten in Kraft. Darin wurde eine zwölfjährige Einheitsschule festgelegt, die nach der 8. Klasse in den Praktischen Zweig und den Wissenschaftlichen Zweig geteilt wurde. Durch die Spaltung der Stadt und die politische Anbindung der westlichen Sektoren an die Bundesrepublik Deutschland sowie durch das Ergebnis der Wahlen 1950 hat das neue Abgeordnetenhaus das Schulgesetz erstmals geändert. Mit weiteren Änderungen wurde die Einheitsschule aufgegeben und das westdeutsche dreigliedrige System eingeführt. In West-Berlin blieben die Bezeichnungen Oberschule Praktischen Zweiges (OPZ), Technischen Zweiges (OTZ), Wissenschaftlichen Zweiges (OWZ) für die einzelnen Schulzweige bis zum 6. Änderungsgesetz vom 5. August 1966 bestehen. Seitdem galten nach dem Hamburger Abkommen der Bundesländer die Bezeichnungen Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Mit der Einführung der Gesamtschule im Jahr 1970 wurde wieder die Möglichkeit geschaffen, alle Kinder auch in der Oberschule gemeinsam zu unterrichten. 1978 wurde die allgemeine Schulpflicht auf 10 Jahre ausgeweitet.

Das zweite Schulgesetz für das Land Berlin ist datiert auf den 20. August 1980. Im Jahr 1984 wurde mit dem 17. Änderungsgesetz festgelegt, dass die Versetzung von Klasse 7 nach Klasse 8 grundsätzlich zu erfolgen hat, sofern die Eltern nicht widersprechen. Mit der Abschaffung der Nichtversetzung an dieser Stelle war die Idee einer Probezeit auf höheren Schulen aufgehoben. Durch die Wiedervereinigung Berlins 1990 wurden zahlreiche Übergangsregelungen notwendig.[40][41] Im September 1990 verankerte das 22. Änderungsgesetz mit den Stimmen von SPD und Grüne/AL, der auch die Bildungssenatorin Sybille Volkholz angehörte, den prinzipiellen Anspruch auf Inklusion behinderter Schüler (unter Haushaltsvorbehalt).[42] Das Berliner Schulgesetz galt in Ost-Berlin ab dem 1. August 1991 und erforderte auf drängenden Elternwunsch hin die Einrichtung vieler Gymnasien anstelle der Polytechnischen Oberschule.[43]

Am 26. Januar 2004 trat das dritte Schulgesetz für das Land Berlin in Kraft, das die vielen Änderungen auf eine neue Rechtsbasis stellen und die Beziehungen zum Land Brandenburg erleichtern sollte, mit dem viele Schulkontakte bestehen.[44] Am 5. Februar 2010 wurde es erheblich geändert: Bei Fortbestehen der Gymnasien sind Hauptschule und Realschule als Schulzweige zur Integrierten Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule verschmolzen worden, auch Gesamtschulen gibt es nicht mehr, es besteht ein Zwei-Säulen-Modell. Weitere Änderungsgesetze folgten bis zur letzten Fassung vom 12. Oktober 2020. Sie betrafen auch den Status der Förderschulen, deren Schüler zunehmend Normalschulen besuchen sollen. Insgesamt gab es seit dieser Neufassung 42 Änderungsgesetze, von denen das letzte am 14. Oktober 2023[45] in Kraft trat.

Literatur

  • Hans-Jürgen Krzyweck, Thomas Duveneck (Hrsg.): Das Schulrecht in Berlin. Schulgesetz mit Kommentar, Einführung in das Schulrecht, Verordnungen und Ausführungsvorschriften mit Erläuterungen, Dienstrecht und Fallbeispiele, Carl Link Verlag. ISBN 978-3-556-20012-4

Weblinks

Siehe auch

  • Schulrecht
  • Schulgeschichte Berlins in der Nachkriegszeit

Einzelnachweise

  1. VOBl. I 1948, 358
  2. § 131 I SchulG
  3. Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 79. Jahrgang Nr. 28 13. Oktober 2023, S. 335
  4. Artikel 4 des Änderungsgesetzes
  5. Art. 7 GG
  6. § 6 II 1 SchulG
  7. § 6 IV 1 SchulG
  8. § 1 S 1 SchulG
  9. § 1 S 2,3 SchulG
  10. § 1 S 4 SchulG
  11. § 2 I SchulG
  12. § 2 II 2 SchulG
  13. § 8 I 1 SchulG
  14. § 8 I 2 SchulG
  15. § 3 II Nr. 2 SchulG
  16. § 3 II Nr. 5 SchulG
  17. 3 II Nr. 6 SchulG§
  18. § 3 II Nr. 7 SchulG
  19. § 7 I 1 SchulG
  20. § 7 I 2 SchulG
  21. § 7 II 1 SchulG
  22. § 13 IV SchulG
  23. § 13 V 2 SchulG
  24. § 41 I 1 SchulG
  25. § 42 II 2 SchulG
  26. § 42 IV 1 SchulG
  27. § 42 IV 2 SchulG
  28. § 43 I 1 SchulG
  29. § 45 SchulG
  30. § 126 SchulG
  31. § 50 I 1 SchulG
  32. § 62 I 1 SchulG
  33. §§ 62 III 2, 63 IV SchulG
  34. § 83 SchulG
  35. § 88 SchulG
  36. § 67 VI SchulG
  37. § 77 SchulG
  38. § 110 SchulG
  39. Heymann: Bemerkungen zur Auslegung des Schulgesetzes für Groß-Berlin. Abgerufen am 5. Juli 2021.
  40. Gabriele Köhler: "Vergangene Zukunft". Bildungspolitische Entwicklungen 1989/90 in der DDR. In: Döbert, H./ Fuchs, H.-W./ Weishaupt, H. (Hrsg.): Transformation in der ostdeutschen Bildungslandschaft. Opladen 2002, S. 17–26, doi:10.1007/978-3-663-11654-7_2.
  41. Bernd Martens: Die Wende in den Schulen | bpb. Abgerufen am 15. Dezember 2020.
  42. https://kobinet-nachrichten.org/2019/01/05/rueckblick-auf-schulische-integration/
  43. Axel Gehrmann: Gewandelte Lehrerrolle in Ost und West? In: Hans Döbert, Hans-Werner Fuchs, Horst Weishaupt (Hrsg.): Transformation in der ostdeutschen Bildungslandschaft: Eine Forschungsbilanz. Westdeutscher Verlag, 2002, S. 66, doi:10.1007/978-3-663-11654-7.
  44. Vorlage zum Schulgesetz. (PDF) In: Mitteilungen. Parlament Berlin, 2004, abgerufen am 15. Dezember 2020.
  45. Gem. Art. 4 des Änderungsgesetzes tritt dieses am Tag nach der Verkündung in Kraft. Es wurde am 13. Oktober 2023 verkündet. (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 79. Jahrgang Nr. 28 13. Oktober 2023, S. 335)

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