Bea Wyler

Bea Wyler (geboren 1951 in Baden) ist ein Schweizer Rabbiner.[1] 1995 wurde sie erste Rabbinerin in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg,[2] eine Nachfolgerin der legendären Regina Jonas, die Rabbiner Max Dienemann 1935 ordiniert hatte. Rabbi Jonas predigte in den 1930er bis 1940er Jahren in mehreren Berliner Synagogen und war auch nach ihrer Deportation ins Ghetto Theresienstadt in Gefangenschaft dort als Rabbiner tätig.

Leben

Bea Wyler wuchs im aargauischen Wettingen auf, studierte an der ETH Zürich[1] Agronomie mit dem Spezialgebiet Geflügelzucht und arbeitete als agrarwissenschaftliche Journalistin. Die Basler Zeitung stellte sie 1980 als erste Wissenschaftsredakteurin an, dort leitete sie das Wissenschaftsressort.[3] Im Anschluss arbeitete sie in einem Chemieunternehmen in Basel in der Public-Relations-Abteilung und war für Publikationen des Unternehmens zuständig.

Nach einem Aufenthalt in Israel studierte sie in London am Leo Baeck College und in New York am Jewish Theological Seminary. Im Mai 1995 wurde sie im Alter von 44 Jahren als Rabbiner ordiniert, worauf sie bis heute Wert legt und sich überall so, d. h. in der männlichen Schreibweise, ankündigen lässt – so laute eben ihr akademischer Titel.

Zum 1. August 1995 wurde die damals 44-Jährige von der 1992 entstandenen jüdischen Gemeinde in Oldenburg (Niedersachsen) und der jüdischen Gemeinde in Braunschweig angestellt. Ihre Einstellung initiiert hatte Sara-Ruth Schumann, Gemeindevorsitzende in Oldenburg. Die Amtseinführung verursachte in den Medien erhebliches Aufsehen und löste Kritik im orthodoxen Judentum aus, weil es Frauen im Amt des Rabbiners ablehnt. Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärte damals, er werde einen von ihr geleiteten Gottesdienst nicht besuchen.[4] Sie werde auch nicht in die Deutsche Rabbinerkonferenz aufgenommen.[5] Solange er in der Sache etwas zu sagen habe, werde es in Frankfurt keine Frau als Rabbiner geben.[6]

Ab 1997 war Bea Wyler auch für die neugegründete jüdische Gemeinde in Delmenhorst tätig. An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg lehrte sie im 1995 eingerichteten interdisziplinären Studiengang Jüdische Studien.[7]

Im Mai 2004 gab sie ihre Ämter in Deutschland auf. Aus familiären Gründen kehrte sie in die Schweiz zurück und ist seither vornehmlich lehrend und publizistisch tätig, hält aber auch Gottesdienste (vornehmlich in Basel) ab.[8][9] In der Schweiz ist sie die einzige Rabbinerin.[10]

Ihr Nachfolger in Braunschweig wurde 2002 Jonah Sievers.[11] In der Gemeinde in Oldenburg folgte ihr 2006 für zwei Jahre Daniel Alter,[12] 2010 mit Alina Treiger die erste in Deutschland ausgebildete Rabbinerin.

Im Juni 2021 erhielt Bea Wyler die Ehrendoktorwürde des Jewish Theological Seminary (JTS) in New York in Anerkennung ihres Beitrages zum jüdischen Leben.[13]

Literatur

  • Carl-v.-Ossietzky-Universität Oldenburg (Hrsg.): Dokumentation Amtseinführung von Frau Rabbiner Bea Wyler am 17. Dezember 1995. Bis, Oldenburg 1997, DNB 952222140.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Neue Zürcher Zeitung, 2. August 1999.
  2. Rabbinerin in Deutschland. In: Freiburger Rundbrief. 1996.
  3. Bulletin 2/04 des Schweizer Clubs für Wissenschaftsjournalismus, S. 5. (Memento vom 13. Oktober 2006 im Internet Archive) auf science-journalism.ch (PDF-Datei)
  4. Frust auf der Galerie. Erstmals hat eine jüdische Gemeinde eine Rabbinerin eingestellt. Kritiker sehen den Zusammenhalt der Juden in Deutschland gefährdet. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1995, S. 59–60 (online7. August 1995).
  5. Wir sind nicht orthodox. Interview mit Sara-Ruth Schumann, der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde im niedersächsischen Oldenburg, über die erste bundesdeutsche Rabbinerin, Bea Wyler. In: Der Spiegel. Nr. 31, 1995, S. 17 (online31. Juli 1995).
  6. Albert H. Friedlander: Obituary: Ignatz Bubis In: The Independent vom 16. August 1999 (englisch).
  7. Weibliche Rabbiner. In: Christine Müller: Zur Bedeutung von Religion für jüdische Jugendliche in Deutschland. S. 173. (Digitalisat)
  8. Tagung Zehn Jahre OFEK 2009 auf safpro.ch (PDF-Datei; 133 kB)
  9. Ofek-Jahresbericht 2005 auf ofek.ch
  10. Jüdisches Winterthur (Memento vom 30. April 2006 im Internet Archive) auf museum-lindengut.ch (RTF; 369 kB), Pressemitteilung des Historischen Vereins Winterthur vom 13. März 2006.
  11. Irina Leytus: Klein, aber fein: die jüdische Gemeinde Braunschweig setzt auf Kontinuität. Zentralrat der Juden in Deutschland vom 25. Juni 2004.
  12. Felix Zimmermann: Oldenburg ohne Rabbiner. In: die tageszeitung vom 1. August 2008.
  13. tachles, 11. Juni 2021