Bahnhofsvorplatz Bonn

Ehemaliger Bahnhofsvorplatz, Luftaufnahme (2014)
Blick über das ehemalige „Bonner Loch“ zum Hauptbahnhof (2006)
(c) Foto: Eckhard Henkel / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 DE
Nun abgerissene Südüberbauung am Bahnhofsvorplatz (2013)
Abriss der Südüberbauung am Bahnhofsvorplatz (August 2017)

Als Bahnhofsvorplatz oder auch Bahnhofsbereich wird in Bonn die Fläche vor dem Hauptbahnhof bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht um einen homogenen Platz im engeren Sinne, sondern zusammenhängende Anteile mehrerer Straßen und Bebauungsflächen. Eine Neugestaltung des Bereichs wurde lange kontrovers diskutiert. Anfang 2017 begann eine grundlegende Umgestaltung, im Zuge derer große Teile des Platzes überbaut wurden. Diese Bauarbeiten wurden 2020 größtenteils abgeschlossen.

Lage

Bonn-Zentrum, Bahnhofsvorplatz rot markiert

Der Bahnhofsvorplatz hat eine Fläche von knapp 1,5 ha.[1] Er liegt auf der nördlichen Seite des Bahnhofes und der Gleise der Linken Rheinstrecke in Bonn-Zentrum zwischen Kaiserplatz im Osten und Thomas-Mann-Straße im Westen.

Derzeitige Bebauung und Nutzung

Plan des Bahnhofsbereiches bis Anfang 2017
Modell des Bahnhofsbereiches

Direkt vor dem Eingang des Bahnhofs verläuft die Straße Am Hauptbahnhof, die als Teil des City-Rings als Einbahnstraße von Ost nach West befahren wird. Nördlich dieser Straße befand sich im Westen des Bereichs ein Parkplatz, daran anschließend das sogenannte „Bonner Loch“, ein Zugang mit mehreren Treppen zum unterirdischen Teil des Bahnhofs. Auf diesen Höhen wird der Bahnhofsvorplatz nördlich von der Cassius-Bastei genannten Bebauung (fertiggestellt 1987/88[2]) begrenzt. Östlich der Poststraße befand sich das von 1976 bis 1978[3] errichtete Gebäude der Südüberbauung. Der östliche Teil des Bereichs besteht schließlich aus der ebenfalls zum City-Ring gehörenden Maximilianstraße und dem Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) Bonns. Es existieren Unterführungen von der Poppelsdorfer Allee im Osten (seit 1936[4]) und zur Herwarthstraße im Westen.

Auf der Straße Am Hauptbahnhof verlaufen auch Schienen der Bonner Straßenbahn. Somit befinden sich mit Deutscher Bahn, der hier im Untergrund geführten Stadtbahn Bonn, den Straßenbahnen und Bussen Haltestellen aller öffentlichen Verkehrsmittel am Bahnhofsvorplatz, der somit den wichtigsten Zugang für Reisende zur Bonner Innenstadt darstellt. Als Teil des City-Rings und eine der wenigen Parkmöglichkeiten ist er zudem ein Nadelöhr des Autoverkehrs. Mit den Geschäften im zukünftigen Maximilian-Center – anstelle der 2017 abgebrochenen Südüberbauung – und der Cassius-Bastei gehört er dabei auch bereits zum kommerziell genutzten Teil der Innenstadt.

Das Bonner Loch galt lange Zeit als Problemzone, vor allem als Treffpunkt von Obdachlosen und Drogensüchtigen. Seit 1992 existiert auf dem Gelände eine gemeinsame Wache von Polizei und dem Ordnungsamt der Stadt Bonn, genannt „GABI“ (Gemeinsame Anlaufstelle Bonn-Innenstadt). Im direkten Umfeld sind soziale Projekte angesiedelt. Ab Juli 2008 wurde ein Alkoholkonsumverbot verhängt. Infolgedessen hat sich die Szene teilweise auf den angrenzenden Busbahnhof und andere Teile der Innenstadt verlagert. Auch wurden Hilfsangebote häufiger in Anspruch genommen.[5]

Geschichte

Ursprünglich befanden sich bis dicht ans Bahnhofsgebäude Wohnhäuser. Erste Freiflächen entstanden durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg.[6]

Neugestaltung in den 1970ern

Im Zuge des Stadtbahnbaus wurde Anfang der 1970er Jahre die restliche historische Bebauung vor dem Bahnhof (einschließlich der Kaiserhalle anstelle des heutigen ZOB) abgerissen und nach Plänen des Architekten Friedrich Spengelin die heutige Aufteilung und Bebauung geschaffen. An der Gestaltung des Bahnhofsbereiches gab es von Beginn der Planung an Kritik. Prominentester Kritiker war damals der Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler, der etwa im General-Anzeiger von der drohenden Gefahr Bonns, „sich selbst zu zerstören“,[7] schrieb. Der ZOB wurde im Dezember 1972 provisorisch und im März 1973 vollständig in Betrieb genommen.[8]

Erste Umbauplanungen

Für den Umbau des Bahnhofsbereichs gab es in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Vorhaben. So sollte Mitte der 1980er Jahre das „Bonner Loch“ mit der so genannten nach Oswald Mathias Ungers benannten Ungers-Halle überbaut werden.[9]

Kontroverse in den letzten Jahren

2004 äußerte der Geograf Heiner Monheim in einem Vorwort zu einem „Verkehrskonzept für die Bonner Innenstadt“ der Bonner Umweltverbände erneute Kritik an der mangelnden Verbindung des Bahnhofsbereiches mit der Innenstadt sowie der Verkehrsführung des City-Rings. Als Lösung schlug er vor, den Cityring vor dem Bahnhof zu unterbrechen und den Ringverkehr lediglich für den ÖPNV beizubehalten.[10]

Im selben Jahr sahen die städtischen Planer einen Investor vor, der den gesamten Bereich vor dem Hauptbahnhof überbauen sollte. Diese Bebauung hätte sich vom heutigen ZOB bis zur Thomas-Mann-Straße erstreckt, eine verbleibende freie Fläche oder ein Platz waren nicht vorgesehen. An der Südüberbauung hätte sich nichts geändert, genau so wenig wie an der Verkehrsführung vor dem Bahnhof. Der ZOB sollte ersatzlos verschwinden. Dieses Vorhaben scheiterte an einem Bürgerbegehren. Es wurde von den Grünen und vom Bürgerbund unterstützt und erzielte über 22.000 Unterschriften, bevor der Stadtrat im September 2004 die Planungen abbrach.

Am 28. April 2005 beschloss der Rat die Einrichtung einer Bürgerwerkstatt zur Neugestaltung des Bahnhofsbereiches. Diese Bürgerwerkstatt zum Bahnhofsbereich Bonn arbeitete von Oktober 2005 bis Januar 2006 und legte im März 2006 ihre Ergebnisse vor. Darin wurden unter anderem ein Erhalt des ZOB, eine generelle Ausweitung auf Aufwertung der Freiflächen, eine Sanierung des Bonner Lochs, der Abriss der Südüberbauung und das Errichten neuer Bebauungen in größerem Abstand zum Bahnhofsgebäude gefordert.

Am 24. November 2005 brachten daraufhin alle Ratsfraktionen einen Dringlichkeitsantrag ein, der die Umsetzung kleinerer kurzfristigen Maßnahmen und weitere Planungen anstrebte.[11] Im Januar 2006 nahm die Ampelkoalition die Überarbeitung des Bahnhofsvorplatzes in ihren Koalitionsvertrag auf. Vom 17. März 2006 bis September 2006 traf sich ein Runder Tisch von Parteien, Kirchen, Polizei und Sozialorganisationen zur Situation des Bonner Loches. Im Oktober wurden im Hauptausschuss der Stadt Mittel für diverse Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Situation vor dem Hauptbahnhof bewilligt.[12]

Wettbewerb zur Neugestaltung

Im Frühjahr 2008 wurde der vom Rat der Stadt Bonn beschlossene Wettbewerb für die Neugestaltung des Bonner Bahnhofsbereichs europaweit mit einem Preisgeld von 90.000 Euro ausgelobt. „Ziel ist die städtebauliche Aufwertung des rund 3,2 Hektar großen Areals zwischen Kaiserplatz und Thomas-Mann-Straße. Außerdem soll die Einbindung des Bahnhofsbereichs in die städtische Umgebung verbessert und das Entree zur Bonner City attraktiver gestaltet werden.“[13]

Am 25. März 2009 teilte die Jury ihre Entscheidung mit. Sie setzte das Konzept des Architekten und Stadtplaners Stefan Schmitz aus Köln auf den ersten Platz.[14] Dem Rat der Stadt wird als nächster Schritt dieser Entwurf vorgelegt. Über eine europaweite Ausschreibung soll nach einer Ratsentscheidung ein Investor für das insgesamt 3,2 Hektar große Gebiet gefunden werden.

Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes

Am 30. Juni 2016 beauftragte der Stadtrat die Stadtverwaltung mit einem Vertragsabschluss mit der Developer Projektentwicklung GmbH, einem Unternehmen der niederländischen Ten Brinke Gruppe, die die Umgestaltung auf der Nordwestseite des Bahnhofes vornehmen soll. Dem Investor war es gelungen, Kaufverträge mit sämtlichen 38 Eigentümern der Südüberbauung abzuschließen. Die Südüberbauung wurde Anfang 2017 abgerissen; an ihrer Stelle entstand bis 2019 ein viergeschossiger Neubau, der im Untergeschoss eine Einkaufspassage und in den weiteren Stockwerken ein Kaufhaus beherbergt. Das neue Gebäude hat jedoch einen größeren Abstand zum Bahnhof als das alte Gebäude. Das Bonner Loch ist verschwunden und wird zusammen mit dem nordwestlich des bisherigen Bonner Lochs gelegenen Gebiet – insgesamt als „Nordfeld“ bezeichnet – mit drei Gebäuden (Projektname Urban Soul) bebaut. Hier sollen ein Parkhaus, ein Hotel, Gastronomie-, Einzelhandels- und Wohnflächen sowie Arztpraxen entstehen. Die Stadt verkaufte hierzu mehrere Grundstücke an die Ten Brinke Gruppe und an die developer.[15][16][17] Am 26. April 2018 erfolgte die Grundsteinlegung für Urban Soul.[18]

Einzelnachweise

  1. Stadt Bonn: Bahnhofsbereich (Memento vom 14. Dezember 2004 im Internet Archive)
  2. Karl Gutzmer: Chronik der Stadt Bonn. Chronik-Verlag, Dortmund 1988, ISBN 3-611-00032-9, S. 275.
  3. Karl Gutzmer: Chronik der Stadt Bonn. Chronik-Verlag, Dortmund 1988, ISBN 3-611-00032-9, S. 256.
  4. Einweihung der Unterführung an der Poppelsdorfer Allee und Ueberführung an der Reuterstraße, General-Anzeiger, 2. Mai 1936, S. 6. (online)
  5. Szene meidet Bonner Loch, General-Anzeiger Bonn
  6. Bebauung und Freiflächen (Memento vom 10. August 2015 im Internet Archive), Bürgerwerkstatt Bonn
  7. Heinrich Lützeler: „Jetzt droht Bonn sich selbst zu zerstören“, in: General-Anzeiger, 11. Januar 1977
  8. Horst Fehre: Bonn auf dem Weg zur wirklichen Hauptstadt. In: Adreßbuch der Bundeshauptstadt Bonn, 93. Ausgabe, J. F. Carthaus, Bonn 1974, S. XXI–XXVII (hier: S. XXII/XXIV.) (online)
  9. Chronologie (Memento vom 7. April 2010 im Internet Archive)
  10. ADFC, Bürgerinitiative Umweltschutz Bonn, BUND und VCD: Rundum gut (PDF; 1,4 MB)
  11. Bundesstadt Bonn: Dringlichkeitsantrag, Drucksachen-Nr. 0513470
  12. Ein kleiner Erfolg der Bürgerwerkstatt, rhein:raum, 25. Oktober 2006
  13. Bahnhofsbereich Bonn, Stadt Bonn
  14. Wettbewerb, Stadt Bonn
  15. Stadt Bonn: Stadtrat gibt grünes Licht für Urban Soul und Südüberbauung, Pressemitteilung der Stadt Bonn, 1. Juli 2016
  16. Südüberbauung wird im Januar 2017 abgerissen, General-Anzeiger, 10. Juni 2016
  17. Neubau bekommt andere Fassade, General-Anzeiger, 29. Juni 2016
  18. Neues „Eingangstor“, Kölnische Rundschau/Bonner Rundschau, 26. April 2018

Literatur

  • Heinrich Lützeler: Jetzt droht Bonn sich selbst zu zerstören. In: General-Anzeiger, 11. Januar 1977.
  • Olga Sonntag: Verliert der Bonner Bahnhof zu seinem 100. Geburtstag sein Gesicht? Ein stadtgeschichtlicher und kunsthistorischer Beitrag zur gegenwärtigen Planungsdiskussion um den Bonner Bahnhofsbereich. In: Bonner Geschichtsblätter. Jahrbuch des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins 34, 1982, S. 173–224.
  • Werkstatt Baukultur Bonn (Hrsg.): Bahnhofsvorplatz (=Architekturführer der Werkstatt Baukultur Bonn, ISSN 2196-5757, Band 7). Edition Kritische Ausgabe, Bonn 2017.

Weblinks

Commons: Bahnhofsvorplatz Bonn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 50° 43′ 58,2″ N, 7° 5′ 49″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

BHVORPL1.jpg
Autor/Urheber:

Unbekannt

, Lizenz: PD-Schöpfungshöhe

Plan des Bahnhofbereiches in Bonn

2017-08-19 Bonn Suedueberbauung Abrissende 01.jpg
Autor/Urheber: Sir James, Lizenz: CC BY 4.0
Bonn-Zentrum: Bahnhofsvorplatz, Abriss der Südüberbauung geht zu Ende.
Bahnhofsvorplatz Bonn Karte Markierung.png
Autor/Urheber: Original Map: OpenStreetMap contributors, highlighting and file creation: Traitor, Lizenz: CC BY-SA 2.0
Map highlighting the Bahnhofsvorplatz (square in front of the station) in Bonn, Germany.
BHVORPL3.jpg
Autor/Urheber: Hans Weingartz, Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Modell des Bahnhofbereiches in Bonn