Alain Resnais

Alain Resnais mit Juliette Binoche, 2010

Alain Resnais (* 3. Juni 1922 in Vannes; † 1. März 2014 in Paris[1]) war ein französischer Filmregisseur.

Leben

Resnais, Sohn eines Apothekers, besuchte das Collège St.-François-Xavier in der bretonischen Stadt Vannes. Er hatte mit dreizehn Jahren seine erste Kamera[2], experimentierte bereits als Jugendlicher mit Schmalfilm und schwärmte für das Theater. Wegen seiner schwachen Gesundheit vom Militärdienst befreit, ging er 1939 nach Paris, um Pädagogik zu studieren. Von 1940 bis 1942 nahm er Schauspielunterricht bei René Simon und ließ sich als Filmeditor am Institut des hautes études cinématographiques (IDHEC) ausbilden. Später schloss er sich der Theatergruppe Les Arlequins an und gastierte mit ihr in der Provinz.[3] Nach dem Zweiten Weltkrieg realisierte er eine Reihe von Kurzfilmen über berühmte Künstler wie Vincent van Gogh und Paul Gauguin.

Nach Arbeiten als Editor für andere Regisseure und etlichen eigenen Dokumentarfilmen drehte er 1959 mit Emmanuelle Riva und Eiji Okada seinen ersten Spielfilm, Hiroshima, mon amour, der die Zerstörung Hiroshimas durch eine US-Atombombe ebenso thematisiert wie die deutsche Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg.[4] Das literarisch anspruchsvolle Drehbuch, verfasst von der französischen Schriftstellerin Marguerite Duras, erhielt eine Oscar-Nominierung. Hiroshima, mon amour nahm 1959 am Wettbewerb den Internationalen Filmfestspielen von Cannes teil. Das Werk zählt heute zu den Klassikern der Nouvelle Vague, ebenso wie Resnais' Nachfolgeprojekt, Letztes Jahr in Marienbad aus dem Jahr 1961, dem ein Drehbuch des Schriftstellers und Regisseurs Alain Robbe-Grillet zugrunde liegt. 1963 widmete er sich in Muriel oder Die Zeit der Wiederkehr den „Nachbeben des Algerienkrieges“.[5]

Resnais wurde 1995 in Anerkennung seiner Verdienste um die Filmkunst mit dem Goldenen Löwen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig und 1998 mit dem Silbernen Bären der Berlinale für sein Lebenswerk ausgezeichnet. 2007 erhielt er für Herzen den Europäischen FIPRESCI-Preis.

Zwischen 1936 und 2006 drehte er insgesamt 47 Filme. 2009 erhielt er für Vorsicht Sehnsucht eine Einladung zum Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes, in dem er 1980 mit Mein Onkel aus Amerika zuletzt vertreten gewesen war. Eine weitere Einladung zum Wettbewerb von Cannes erfolgte im Jahr 2012 für den Spielfilm Vous n’avez encore rien vu, der lose auf dem Theaterstück Eurydice von Jean Anouilh basieren soll. Erzählt wird von einer Gruppe von Schauspielern (dargestellt von u. a. Lambert Wilson, Sabine Azéma und Anne Consigny), die sich zur Testamentseröffnung eines Dramatikers in dessen Haus einfindet.[6]

Alain Resnais heiratete 1969 Florence Malraux, die Tochter des französischen Schriftstellers und Kulturministers André Malraux. Aus der Beziehung ging eine Tochter hervor.[3] Von 1998 an war Resnais mit der Schauspielerin Sabine Azéma verheiratet, die er seit den 1980er Jahren in vielen seiner Filme mit Hauptrollen betraut hatte.[7]

Archive

Der umfangreiche Nachlass von Alain Resnais (insgesamt 485 Archivkästen) befindet sich im Institut mémoires de l’édition contemporaine in Paris.[8]

Ein Konvolut von Alain Resnais' Schwarzweiß-Filmen befindet sich im Harvard Film Archiv.[9]

Filmografie (Auswahl)

Dokumentarfilme

  • 1947: Paris 1900 Schnitt und Regieassistenz
  • 1948: Van Gogh – Kurzfilm
  • 1950: Guernica – Kurzfilm
  • 1954: Les Statues meurent aussi – Kurzfilm über afrikanische Kunst und Kolonialismus
  • 1955: Nacht und Nebel (Nuit et brouillard) – Kurzfilm über die deutschen Konzentrationslager
  • 1956: Toute la mémoire du monde – Kurzfilm über die Französische Nationalbibliothek[10]
  • 1992: Gershwin – Kurzfilm

Spielfilme

Literatur

  • Marcus Stigleger: Alain Resnais * 1922. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-010662-4, S. 626–632.
  • Mirjam Schmid: Darstellbarkeit der Shoah in Roman und Film (Kulturgeschichtliche Reihe, 12). Sonnenberg, Annweiler 2012, ISBN 978-3-933264-70-1.[11]
  • Scarlett Winter: Robbe-Grillet, Resnais und der neue Blick. Winter, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-8253-5271-4.
  • Frieda Grafe: Alain Resnais' praktische Filme. Erstveröffentlichung in: Filmkritik vom Juni 1966. Wiederveröffentlichung in: Frieda Grafe: Schriften, 3. Band. Verlag Brinkmann & Bose, Berlin 2003, ISBN 3-922660-82-7, S. 55–73.
  • Bastian Reinert: Translating Memory: Acts of Testimony in Resnais, Cayrol, and Celan. In: Peter Arnds (Hrsg.): Translating Holocaust Literature. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8471-0501-5, S. 139–152.
  • Peter W. Jansen: Wo endlose Flure Fluren folgen: Alain Resnais. In: Jörg-Dieter Kogel: Europäische Filmkunst. Regisseure im Porträt. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-596-24490-0, S. 119–129.
  • Christoph Müller: Je t’aime je t’aime. In: Filmstellen VSETH & VSU (Hrsg.): Science Fiction / Andrzej Wajda. Dokumentation. Verband Studierender an der Universität VSU, Zürich 1990, ohne ISBN, S. 107–114 (mit Bio-Filmografie).
  • François Thomas: I want to go home (Interviews mit Laura Benson (Schauspielerin), Catherine Leterrier (Kostüme), Charlie van Dumme (Kamera) und Jean-Claude Laureux (Ton)). In: CICIM Centre d’Information Cinématographique Munich (Hrsg.): Marcel Ophuls / "I want to go home" / "La Marseillaise". (Revue CICIM No. 29). Institut français, München 1990, ISSN 0938-233X, S. 104–118.
  • James Monaco: Alain Resnais: The rôle of imagination. Secker & Warburg, London 1978, ISBN 0-436-28455-3.
  • Emma Wilson: Alain Resnais. Manchester University Press, Manchester 2009, ISBN 978-0-7190-6407-4.
  • François Thomas (Hrsg.): Das Atelier von Alain Resnais (Revue CICIM No. 35/36). Hrsg.: CICIM Centre d’Information Cinématographique Munich & Filmtage Tübingen, übersetzt von Karola Bartsch. Institut français, München 1992. Mit Bibliographie, ISBN 3-920727-06-1 (deutsch; in der DNB nicht unter Resnais gelistet!).
  • Hunter Vaughan: Where Film Meets Philosophy: Godard, Resnais, and Experiments in Cinematic Thinking. Columbia University Press, New York 2013, ISBN 978-0-231-16132-9.
  • Wolfgang Jacobsen u. a.: Alain Resnais (Reihe Film 38). Hanser, München 1990, ISBN 3-446-14861-2.
  • Sophie Rudolph: Die Filme von Alain Resnais: Reflexionen auf das Kino als unreine Kunst. Edition Text + Kritik, München 2012, ISBN 978-3-86916-137-2.

Weblinks

Commons: Alain Resnais – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Nachruf auf Alain Resnais in: Süddeutsche
  2. Marie-Noëlle Tranchant: Alain Resnais, prodige du cinema français, est mort. (Nachruf) lefigaro.fr, 2. März 2014 (abgerufen am 3. März 2014)
  3. a b Alain Resnais. In: Internationales Biographisches Archiv 19/2002 vom 29. April 2002, ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 15/2010 (abgerufen via Munzinger Online)
  4. Dave Kehr: Resnais, Acclaimed French Filmmaker, Is Dead at 91. (Nachruf) nytimes.com, 2. März 2014 (abgerufen am 3. März 2014)
  5. Patrick Straumann: Atomare Gewissheiten, mentale Labyrinthe. (Nachruf) nzz.ch, 3. März 2014 (abgerufen am 3. März 2014)
  6. Beschreibung (Memento vom 27. April 2012 im Internet Archive) bei timeout.com (abgerufen am 26. April 2012)
  7. Alain Resnais. In: World who’s who: Europa biographical reference. Routledge, London 2002
  8. Resnais, Alain (1922–2014) La collection de l'IMEC
  9. Alain Resnais Short Films Harvard Film Archive
  10. Toute la mémoire du monde auf youtube.com: https://www.youtube.com/watch?v=i0RVSZ_yDjs
  11. Schwerpunkte: Resnais und André Schwarz-Bart

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