Acht demokratische Parteien und Gruppen

Mit den Acht demokratischen Parteien und Gruppen (chinesisch 八个民主党派, Pinyin bā gè mínzhǔ dǎngpài) werden Blockparteien bezeichnet, die in der Volksrepublik China neben der führenden Kommunistischen Partei (KP) zugelassen sind, während alle anderen politischen Parteien verboten sind.[1] Abweichungen gibt es lediglich in Hongkong und Macau, deren Status unter dem Slogan Ein Land, zwei Systeme eine Parteienvielfalt duldet.[2] Sie sind in der Präambel zur Verfassung der Volksrepublik China, welche ein Einparteiensystem unter der KP vorschreibt, erwähnt. Dies wurde durch einen Zusatz im Jahr 2018 bekräftigt: „Das von der Kommunistischen Partei Chinas geführte System der parteiübergreifenden Zusammenarbeit und politischen Konsultation wird noch lange bestehen und sich weiterentwickeln“. Weitere Rechtsgrundlagen für die Existenz der acht Parteien und Gruppen und ihren Handlungsspielraum existieren nicht.[3]

Die einzelnen Parteien

Deutscher NameChinesischer NameGründungsdatumGründungsortMitgliederDerzeitiger VorsitzenderOffizielle Website
Revolutionäres Komitee der Kuomintang中国国民党革命委员会1. Januar 1948Hongkong127,930[4]Wan Exiangwww.minge.gov.cn
Demokratische Liga Chinas中国民主同盟19. März 1941Chongqing, China282,000[5]Ding Zhongliwww.dem-league.org.cn
Demokratische Staatsaufbaugesellschaft Chinas中国民主建国会16. Dezember 1945Chongqing, China170,000[6]Hao Mingjinwww.cdnca.org.cn
Chinesische Vereinigung zur Förderung der Demokratie中国民主促进会30. Dezember 1945Shanghai, China156,808[7]Cai Dafengwww.mj.org.cn
Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas中国农工民主党9. August 1930Shanghai, China145,000[8]Chen Zhuwww.ngd.org.cn
Zhi-Gong-Partei Chinas中国致公党(致公党)10. Oktober 1925Los Angeles, Vereinigte Staaten48,000[9]Wan Gangwww.zg.org.cn
Gesellschaft des 3. September九三学社3. September 1945Chongqing, China183.710[10]Wu Weihuawww.93.gov.cn
Demokratische Selbstbestimmungsliga Taiwans台湾民主自治同盟12. November 1947Hongkong3.000[11]Su Huiwww.taimeng.org.cn

Geschichte

Alle „Acht demokratischen Parteien und Gruppen“ entstanden in der Zeit der Republik China. Während sich die Kommunistische Partei Chinas in Konflikt zur Regierungspartei Kuomintang befand, bekannten sich die Demokratische Liga Chinas, die Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas, die Zhi-Gong-Partei Chinas und der linke Flügel der Kuomintang, später „Revolutionäres Komitee der Kuomintang“, zunächst zu einer Politik des dritten Wegs. Die fortschreitende Polarisierung zwischen beiden Gegnern, gepaart mit einer Infiltration der Kleinparteien, führte zu einer Annäherung an die Kommunisten. KP-Funktionäre übernahmen sogar Vorstandsämter jener Organisationen. Hinzu kamen Gründungen neuer Parteien und Gruppen unter Federführung des KP-Spitzenpolitikers Zhou Enlai wie die Demokratische Staatsaufbaugesellschaft Chinas, die Chinesische Vereinigung zur Förderung der Demokratie, die Gesellschaft des 3. September und die Demokratische Selbstbestimmungsliga Taiwans. Mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges im Jahr 1946 waren die Gruppierungen Bundesgenossen der Kommunistischen Partei Chinas und wurden von der Zentralregierung der Republik China verboten. Gegen Ende des Bürgerkrieges bereiteten sie mit dem KP-Vorsitzenden Mao Zedong die Gründung der Volksrepublik China vor. Nachdem der neue Staat von Mao ausgerufen worden war, erhielten etliche Funktionäre der „Acht demokratischen Parteien und Gruppen“ hohe Ämter in der Regierung, in der Justiz und in der „Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes“, die anfangs als quasi-parlamentarisches Staatsorgan betrachtet wurde.[12] Schon bald nach der Staatsgründung der Volksrepublik China machten die staatlichen Repressionen nicht vor den „Acht demokratischen Parteien und Gruppen“ halt. Ein hoher Prozentsatz ihrer Mitglieder wurde als „Rechtsabweichler“ verfolgt. 1958 erklärten die Parteiführer der acht Vereinigungen auf einer gemeinsamen Kundgebung vor dem Tor des Himmlischen Friedens ihre uneingeschränkte Gefolgschaft gegenüber der führenden Kommunistischen Partei Chinas.[13] Dank dieser Unterwerfungsgeste blieben die acht Organisationen zwischen 1958 und 1966 relativ unbehelligt. Mit dem Ausbruch der Kulturrevolution kam ihre gesamte Parteiarbeit zum Erliegen. Ab 1978 wurden ihre Funktionäre rehabilitiert, konnten ihre politische Arbeit wieder aufnehmen und erhielten Funktionen in Staatsorganen.[14]

Beziehung zur Kommunistischen Partei

Seit Staatsgründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 erkennen die acht Parteien und Gruppen die Kommunistische Partei Chinas in ihrer Führungsrolle an. Institutionell gehören die KP und die Minoritätenparteien zur „Einheitsfront“, die wiederum den Kern des Staatsorgans „Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes“ darstellt. Den Kleinparteien wurde hierbei lediglich ein Konsultativstatus zugebilligt. Die von der KP abhängigen Parteien werden zudem von ihr kontrolliert.[15]

Organisation und Ziele

Demokratischer Zentralismus als Strukturvorgabe und die Orientierung an der aktuellen Ideologie sind bei allen Minoritätenparteien wiederkehrende Bekenntnisse. Der Verzicht auf Wettbewerb unter den „Acht demokratischen Parteien und Gruppen“ bringt auch das Phänomen mit sich, dass Mehrfachmitgliedschaften untereinander und mit der Kommunistischen Partei möglich sind. Gleichfalls verzichten die Organisationen auf die Rolle der Opposition. Gleichwohl ist das Mitgliederwachstum seit 1983 signifikant.[16] Die „Acht demokratischen Parteien und Gruppen“ werden durch Mitgliederbeiträge und staatliche Subventionen finanziert.[17]

Politische Bedeutung

Anders als in der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes werden den kleineren Parteien in den Volkskongressen keine festen Kontingente an Delegierten zugewiesen. Der Proporz der Parteien im Nationalen Volkskongress schwankt entsprechend den Wahlergebnissen.[18] Eine weitere Aufgabe fällt den kleineren Parteien bei Kontakten zum Ausland, zu Wirtschaftskreisen und zu Spezialisten in Wissenschaft und Technik zu.[19] Da die politische Führung der Volksrepublik China ihren Staat als „Demokratie“ und „Mehrparteienstaat“ bezeichnet, ist die Existenz der acht Minoritätenparteien als Imagegewinn und Legitimation zu werten, selbst wenn diese nur über eine geringe Macht verfügen. Dies zeigt das Beispiel von Wan Gang, des Parteichefs der Zhi-Gong-Partei Chinas, dessen Position als Forschungsminister von einigen ausländischen Beobachtern als Beweis für einen wachsenden Pluralismus in der Volksrepublik China gewertet wird.[20]

Literatur

  • Chi-Hua Chen: Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren. Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“. Bochum: Diss. Phil. 2003 (d-nb.info, Volltext).
  • Gerry Groot: Managing Transitions: The Chinese Communist Party, United Front Work, Corporatism, and Hegemony. Routledge, New York / London 2004, ISBN 0-203-50294-9.
  • Sebastian Heilmann (Hrsg.): Das politische System der Volksrepublik China. Springer VS, Wiesbaden 2016, 3. Auflage, ISBN 978-3-658-07228-5.
  • Heinrich-M. Umbach: Die demokratischen Parteien Chinas im Schatten der Kommunistischen Partei. Institut für Asienkunde, Hamburg. In: Mitteilungen des Instituts für Asienkunde, Hamburg, Nr. 248, 1995.
  • Thomas Weyrauch: Die Parteienlandschaft Ostasiens. Longtai, Heuchelheim 2018, ISBN 978-3-938946-27-5.
  • Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, ISBN 978-3-938946-30-5.
  • Thomas Weyrauch: Politisches Lexikon Ostasien. Longtai, Heuchelheim 2019, ISBN 978-3-938946-28-2.
  • Zhang Chunman: Good Friends of Communism: Democratic Parties and Authoritarian Resilience in China. Johns Hopkins University, Baltimore 2018 (englisch, jscholarship.library.jhu.edu).

Anmerkungen

  1. Sebastian Heilmann: Das politische System der Volksrepublik China. Springer, Wiesbaden 3. Auflage 2016, ISBN 978-3-658-07228-5, S. 117.
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, ISBN 978-3-938946-30-5, S. 89–299.
  2. Sebastian Heilmann (Hrsg.): Das politische System der Volksrepublik China. Springer, Wiesbaden, 3. Auflage 2016. ISBN 978-3-658-07228-5, S. 77–82.
    Thomas Weyrauch: Die Parteienlandschaft Ostasiens. S. 225–236, 246–272
    Thomas Weyrauch: Politisches Lexikon Ostasien, S. 12.
  3. Verfassungen der Welt vom 11. Februar 2006, Verfassung der Volksrepublik China, angenommen auf der 5. Tagung des V. Nationalen Volkskongresses am 4. Dezember 1982, 18. und 19. Verfassungszusatz vom 14. März 2004
    NPC Observer vom 11. März 2018: 2018 Amendment to the P.R.C. Constitution (Version 2.0) (englisch).
  4. Revolutionäres Komitee der Kuomintang (chinesisch).
  5. Demokratische Liga Chinas (chinesisch).
  6. Demokratische Staatsaufbaugesellschaft Chinas (chinesisch).
  7. Chinesische Vereinigung zur Förderung der Demokratie (chinesisch).
  8. Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas (chinesisch).
  9. Zhi-Gong-Partei (chinesisch).
  10. 九三学社简介. In: 93.gov.cn. Abgerufen am 16. Mai 2020 (chinesisch).
  11. Demokratische Selbstbestimmungsliga Taiwans (chinesisch).
  12. Gerry Groot: Managing Transitions: The Chinese Communist Party, United Front Work, Corporatism, and Hegemony. Routledge, New York / London 2004, S. 4 ff. (englisch)
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 23 ff.
  13. Gerry Groot: Managing Transitions: The Chinese Communist Party, United Front Work, Corporatism, and Hegemony. Routledge, New York / London 2004, S. 73 ff.
    Heinrich-M. Umbach: Die demokratischen Parteien Chinas im Schatten der Kommunistischen Partei. Hamburg: Institut für Asienkunde 1995, S. 37 ff., 91 ff.
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 40 ff.
    Peking Review: Re-education. Democratic Parties Rally for Socialism. (PDF; 3,3 MB) vom 26. März 1958, S. 10 f.
  14. Gerry Groot: Managing Transitions: The Chinese Communist Party, United Front Work, Corporatism, and Hegemony. Routledge, New York / London 2004, S. 107 ff.
    Chi-Hua Chen: Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren. Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“. Bochum: Diss. Phil. 2003, S. 136 f.
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 43 ff.
  15. Heinrich-M. Umbach: Die demokratischen Parteien Chinas im Schatten der Kommunistischen Partei. Hamburg: Institut für Asienkunde 1995, S. 114 ff., 138 ff.
    Chi-Hua Chen: Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren. Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“. Bochum: Diss. Phil. 2003, S. 135 ff.
  16. Chi-Hua Chen: Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren. Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“. Bochum: Diss. Phil. 2003, S. 136 f.
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 43 ff., 270 ff., 275 ff.
  17. Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 97, 120, 140, 166, 185, 199, 218, 235.
  18. Das Wahlsystem. In: german.china.org.cn. Abgerufen am 16. Mai 2020.
  19. Chi-Hua Chen: Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren. Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“. Bochum: Diss. Phil. 2003, S. 157 ff.
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 263 ff.
  20. Chi-Hua Chen: Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren. Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“. Bochum: Diss. Phil. 2003, S. 157 ff.
    Thomas Weyrauch: Minoritätenparteien und -gruppen der Volksrepublik China. Longtai, Heuchelheim 2020, S. 272
    Johnny Erling: Neuer Forschungsminister schwärmt für Ingolstadt. In: Die Welt. 27. April 2007 (welt.de).