7. Sinfonie (Bruckner)

Die 7. Sinfonie in E-Dur (WAB 107) wurde von Anton Bruckner in den Jahren 1881 bis 1883 geschrieben.

Uraufgeführt wurde das Ludwig II. von Bayern gewidmete Werk am 30. Dezember 1884 im Leipziger Stadttheater vom Gewandhausorchester Leipzig unter Arthur Nikisch. Dass das Werk trotz einer langsamen und mühsamen Probenarbeit (zum Teil über Briefwechsel zwischen Bruckner und Nikisch), Bruckners fehlender Anerkennung als Komponist und Spielplanunstimmigkeiten in Leipzig ein Erfolg wurde, ist ein großes Verdienst des Dirigenten Nikisch, der dem Leipziger Publikum in Werkeinführungen die Sinfonie näherbrachte. Bruckner hatte soviel Vertrauen in ihn, dass er ihm sogar freistellte, die Partitur zu ändern. Der Komponist Bruckner musste 60 Jahre alt werden, um einen ersten durchschlagenden Erfolg – später einen Welterfolg – mit dieser neuen Komposition zu erzielen. Schon bald kündigte sich nach der Uraufführung dieser Sinfonie der Siegeszug des Werkes an, und zwar durch Aufführungen in anderen musikalischen Zentren Europas. Etwas später fand die Sinfonie sogar ihren Weg nach Übersee.

Große Teile dieser in späteren Zeiten bis heute beim Publikum sehr beliebten Sinfonie wurden in St. Florian komponiert, wo Bruckner im Stift begraben ist.

Besetzung

2 große Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten (in A), 2 Fagotte, 4 Hörner, 4 (Wagner-)Tuben (im 2. und 4. Satz), 3 Trompeten, 3 Posaunen, Kontrabasstuba, Pauken, Becken, Triangel, I. Violine, II. Violine, Bratsche, Violoncello, Kontrabass

Da zur Uraufführung in Leipzig keine Wagner-Tuben vorhanden waren, besetzte Nikisch ein zweites Hornquartett, was Bruckner dezidiert nicht wollte. Er bevorzugte – wie auch übrigens Richard Wagner – Militärinstrumente als Alternative zu den seltenen Wagner-Tuben und bat ausdrücklich darum. Seinem Wunsche wurde aber nicht entsprochen. (Bei einer späteren Aufführung der 7. Sinfonie in Leipzig am 6. Juni 1893 unter Emil Paur spielten jedoch Militärmusiker deren Part; sie kamen aber zu spät zum Konzert, so dass die Mittelsätze vertauscht werden mussten.)

Triangel und Becken kommen ausschließlich in einem einzigen Takt im zweiten Satz zum Einsatz. Sie spielen gleichzeitig, so dass für eine Aufführung der Sinfonie tatsächlich zwei Schlagwerker „nur für einen einzigen Ton“ abgestellt werden müssen.

Reihenfolge der Sätze

Bruckner komponierte das Scherzo als zweiten Satz unter dem Eindruck des verheerenden Ringtheater-Brandes. Seine damalige Wohnung lag in unmittelbarer Nähe des Brandortes, und er eilte durch die Stadt, um seine Manuskripte zu retten. Die Begleitfigur der Streicher zeigt die Unruhe der flackernden Flammen und das Umherirren der Menge, und das Trompeten-Thema des Scherzos erinnert an Hornsignale, mit denen sich die Feuerwehren bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts untereinander verständigten. Das Adagio entstand zunächst als eine Art Trauermarsch für die Opfer des Brandes, der Bruckner unheimlich bewegt, aber auch eigenartig fasziniert hatte. Die Trauer über Richard Wagner kam später als Idee hinzu.

Einige wenige Dirigenten haben die Mittelsätze ausgetauscht (u. a. Sir Colin Davis). Im Manuskript jedoch steht das Scherzo eindeutig an dritter Stelle.

Zur Musik

1. Satz: Allegro moderato

Sie beginnt mit einem langen Eingangsthema, über das Bruckner schreibt:

Dieses Thema ist gar nicht von mir. Eines Nachts erschien mir Dorn (den Violinisten Ignaz Dorn kannte Bruckner aus Linz) und diktierte mir das Thema. Pass auf, sagte er, mit dem wirst du dein Glück machen.

Das chromatische Thema erinnert an die Musik Richard Wagners. Dieses längste aller brucknerschen Hauptthemen gliedert sich in drei Abschnitte. Nach 2 Vorbereitungstakten, einer schimmernden E-Dur-Terz in den Violinen, erhebt sich das Thema, zu strahlender Höhe aufsteigend, in den Celli und dem Horn, später von der Klarinette begleitet. Wiederholung in gleicher Tonart durch das gesamte Orchester. Das 2. Thema mit dem charakteristischen Doppelschlag zu Beginn oder auch der Abschnitt, der in Bruckners Sinfonien häufig als die „Gesangsperiode“ bezeichnet wird, nimmt in der Exposition ebenfalls einen breiten Raum ein und gerät zu einer lang verlaufenden Steigerung, einem Orgelpunkt auf Fis. Unmittelbar darauf setzt leise die tänzerisch gestaltete dritte Themengruppe ein. Ein Nachsatz in H-Dur beendet die Exposition.

In der breit angelegten Durchführung kann man die Kontrapunktik aus Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg erkennen. Das 1. Thema der Exposition erscheint voller Inbrunst in der Umkehrung und verbreitet eine andachtsvolle Stimmung, bevor nach einer kürzeren Verarbeitung des 3. Themas die Umkehrung des Hauptthemas mit dramatischer Wucht in c-moll hereinbricht. Nach Wiederholung des Anfangsthemas in c-moll und dann in d-moll wird die Intensität dieses Abschnittes durch geschickte Modulationen wieder nach E-Dur geführt, wo nun Hauptthema nebst Themenumkehrung den Beginn der Reprise markieren. Über die Wiederholung des 2. Themas im Variantklang der Grundtonart (also e-Moll) und der dritten Themengruppe (stark variiert) gelangt Bruckner zur außerordentlich wirkungsvollen Coda dieses Satzes. Ein Teil des Hauptthemas erscheint zunächst in ergreifender Weise über einem anschwellenden Paukenwirbel, der dann wieder verebbt, bevor im Pianissimo die große Schlusssteigerung unter Verwendung des ersten Hauptthemateils beginnt.

Die Klangballungen in den Blech- und Holzbläsern gegen Ende des Satzes erklingen unter den für Bruckner typischen Begleitfiguren der hohen Streicher – einer Art Ornamentik, die wie eine Umklammerung des Riesensatzes wirkt.

2. Satz: Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam

Bruckner begann den 2. Satz wenige Wochen vor Wagners Tod, den er wohl vorausahnte. Er schrieb an Felix Mottl:

Einmal kam ich nach Hause und war ganz traurig; ich dachte mir, lange kann der Meister nicht mehr leben. Dabei fiel mir das Cis-Moll-Adagio ein.

Obgleich zunächst mit Kompositionsbeginn der 7. Sinfonie gar nicht geplant, verwendet Bruckner in diesem Adagiosatz und dem 4. Satz des Werkes die von Richard Wagner für den Ring des Nibelungen konstruierten Wagnertuben, für die Bruckner die Partitur sehr veränderte. Von nun an erklingen diese Instrumente aber auch in den Sinfonien 8 und 9. Sie verleihen dem Orchesterklang eine enorme zusätzliche Tiefenwirkung. Außerdem gibt es noch andere Anlehnungen an den verehrten Meister Wagner. Zum Beispiel erinnert die Sextolen-Begleitung des Hauptthemas stark an den Tannhäuser.

Die beiden Motive des Adagios (das Brucknersche Adagio hat das Schema A-B-A’-B’-A’’-Schluss) sind 1. das Wagnertuben-Motiv (A) – vorwiegend absteigend –, das am Anfang erklingt, und 2. das Te Deum-Thema (B), das aus Bruckners Werk den Abschnitt non confundar in aeternum zitiert. Drei Wochen nach dem Entwurf des 2. Satzes, am 13. Februar 1883, starb Wagner. Bruckner hatte gerade den Höhepunkt im Satzverlauf dieses Adagios komponiert und die darauf folgende Coda (eine Trauermelodie, die von den Wagnertuben zunächst alleine, dann mit Begleitung in den Hörnern gespielt wird) bildet die eigentliche Trauermusik für den verehrten Meister.

Der 2. Satz ist, neben z. B. dem Trauermarsch aus Beethovens 3. Sinfonie (Eroica) und dem Trauermarsch für den toten Siegfried aus Wagners Götterdämmerung, eine der aufwühlendsten Trauermusiken des 19. Jahrhunderts.

3. Satz: Scherzo. Sehr schnell

Das rhythmisch prägnante Scherzo in a-moll (3/4-Takt) hat dämonischen Charakter. Ein Trompetensignal, auf- und wieder absteigend, setzt unmittelbar nach vier dunkel gefärbten Vorbereitungstakten der Streichergruppe ein. Schon der erste Takt bildet das rhythmische Grundmotiv dieses Satzes. Er durchpulst nach Art des Ostinato die beiden das Trio umrahmenden Scherzo-Teile, in denen die vorgestellten Motive immer wieder umgebildet und kontrapunktisch verarbeitet werden. Das Trio in F-Dur (Etwas langsamer) zeichnet ein lyrisch beschauliches Stimmungsbild. Der Rhythmus des erneut losstürmenden Da-Capo-Scherzo-Teils wird in den letzten vier Takten des Trios pianissimo durch die Pauke angekündigt.

4. Satz: Finale. Bewegt, doch nicht schnell

Das kurz geratene Finale der Sinfonie stellt wiederum drei Themengruppen vor. Das Eröffnungsthema in punktiertem Rhythmus knüpft an die Gestalt des Hauptthemas im ersten Satz an. Schon bald setzt das choralartige zweite Thema ein und eine kurze Überleitung führt zum herben Unisono-Thema der dritten Gruppe, in dem auch wieder der punktierte Rhythmus des Eröffnungsthemas auftaucht.

Ab der Durchführung wird der Satz „rückläufig“ und gerät vom Unisono-Thema zurück über das Choralthema zum ersten Thema, welches dann zunehmend dramatischer gestaltet und zu einem Höhepunkt geführt wird. Der letzte Abschnitt – um die Sinfonie mit einem krönenden Abschluss zu versehen – beginnt leise als Steigerung mit dem etwas verbreiterten Final-Hauptthema, in das dann gegen Ende das mächtige Hauptthema aus dem ersten Satz eintritt, jetzt im Fortissimo des ganzen Orchesters.

Fassungen

Bruckners Siebente liegt in nur einer Fassung des Komponisten vor. Sie erfuhr durch den Komponisten oder von fremder Hand keinerlei Kürzungen oder Erweiterungen. Instrumentations-Retuschen durch spätere Herausgeber fallen nicht ins Gewicht, sie sind von geringer Bedeutung.

Bis heute ist allerdings nicht geklärt, ob Bruckner den Höhepunkt des Adagios mit einem Beckenschlag versehen wollte oder nicht. Es wird vermutet, dass einer seiner Schüler oder Freunde (Joseph Schalk?) den Komponisten dazu angeregt habe, diese Stelle mit zusätzlichem Schlagwerkeinsatz gesondert herauszuheben. Obwohl man heutzutage verstärkt mutmaßt, dass der Beckenschlag der eigentlichen Intention Bruckners widerspricht, lassen die Streichungen, Wiederaufhebungen der Streichung und Überklebungen an der entsprechenden Stelle in der Partitur keinen wirklich eindeutigen Schluss zu. Die Siebente wird in der Mehrzahl mit dem Beckenschlag aufgeführt.

Es existiert allerdings eine Bearbeitung für Kammerorchester von Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl. Im Jahr 1918 gründeten Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern den „Verein für musikalische Privataufführungen“. Für diesen Verein entstand als Auftrag von Arnold Schönberg an seine Schüler Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl im Jahr 1921 diese Fassung, in der jede Stimme von nur einem Instrument gespielt wird. Sie erlaubt ein transparentes Hören und eine Neuentdeckung des Originals. Die Bearbeitung kam jedoch damals im Verein niemals zur Aufführung. Das Notenmaterial ging in den Besitz Arnold Schönbergs über und befindet sich heute im Arnold Schönberg Center, Wien. Die erste vollständige Aufführung der Kammerorchesterfassung fand 1994 anlässlich eines Symposiums zu Anton Bruckner im Connecticut College, New London, statt. Sie wurde 2005 mit dem Thomas-Christian-Ensemble, für Dabringhaus und Grimm, aufgenommen.

Hitler und Bruckners Siebente

Frederic Spotts schreibt in seinem Buch Hitler and the Power of Aesthetics, Adolf Hitler habe diese Sinfonie immer wieder mit Beethovens Neunter Sinfonie verglichen. Auf Anordnung Hitlers erklang das Adagio aus der siebenten Sinfonie am 1. Mai 1945 im Reichsrundfunk, nachdem Admiral Karl Dönitz die Nachricht von Hitlers Tod bekannt gegeben hatte. Vermutlich handelte es sich um die Aufnahme des Dirigenten Wilhelm Furtwängler vom 7. April 1942.

Diskografie

Inhaltliche Einzelheiten

Die erste kommerzielle Aufnahme machte Oskar Fried mit dem Orchester der Berliner Staatsoper im Jahre 1924 (Polydor). Mit der 4. Sinfonie ist Bruckners „Siebente“ das populärste Werk des Komponisten, sowohl im Konzertsaal als auch auf dem Schallplatten- bzw. CD-Markt.

Herbert von Karajans letzte Einspielung mit den Wiener Philharmonikern, aufgenommen am 23. April 1989 drei Monate vor seinem Tod für die Deutsche Grammophon in der Haas-Edition der Partitur von 1885, wurde von Norman Lebrecht an Nr. 80 seiner Liste der 100 besten Aufnahmen notiert,[1] charakterisiert als „more human and vulnerable“ („menschlicher und verletzlicher“) im Vergleich mit seiner früheren Berliner Aufnahme.[2] Bei der Beurteilung der Aufnahme von Kurt Sanderling (1999) verglich David Hurwitz als Referenz frühere Aufnahmen von Eugen Jochum (1952), Bernard Haitink (1978), Karajan (1989) und Günter Wand (1999).[3] Stephen Johnson bevorzugt Karl Böhms Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern, wobei er schreibt: „Böhm vereint eine formal-klare Wiedergabe der Struktur mit einer feinsinnigen Interpretation der Phrasierung.“[4]

Die überwältigende Mehrheit der aktuellen Aufnahmen der Sinfonie benutzt Vibrato für die Streicher, mit Ausnahme von Roger Norringtons Einspielung mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR.[5]

Ein Arrangement für Kammerorchester wurde u. a. vom Thomas-Christian-Ensemble eingespielt, wobei ein Kritiker anmerkte: „Ohne Zweifel braucht man einfach mehr als 10 Musiker (unabhängig davon, wie gut sie sind), wenn man eine Bruckner-Sinfonie einspielen will“.[6]

Auswahl

In Klammern die jeweiligen Laufzeiten der einzelnen Sätze:

Literatur

  • Renate Ulm (Hrsg.): Die Symphonien Bruckners. Entstehung, Deutung, Wirkung. Bärenreiter, Kassel 2005, ISBN 3-7618-1590-5.
  • Hans-Joachim Hinrichsen: Bruckners Sinfonien: Ein musikalischer Werkführer. C.H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68809-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Norman Lebrecht: The life and death of classical music: featuring the 100 best and 20 worst recordings ever made. New York: Anchor Books (2007): 252–253
  2. Stephen Chakwin: Anton Bruckner. In: Classical Music: The Listener’s Companion. ed. Alexander J. Morin (San Francisco: Backbeat Books, 2002), Seite 196
  3. David Hurwitz, ANTON BRUCKNER, Symphony No. 7 ClassicsToday.com, ins Netz gestellt am 4. März 2001
  4. Stephen Johnson, Anton Bruckner Symphony no. 7 (1883), 1001 Classical Recordings You Must Hear Before You Die. ed. Matthew Rye. „Universe“ (New York), Seite 424.
  5. Shirley (2010) Hugo. Bruckner: Symphony No. 7. MusicalCriticism.com
  6. Stevenson (2010) Joseph. Review classicstoday.com