Östliche Smaragdeidechse
Östliche Smaragdeidechse | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Östliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis), Weibchen (vorne) und Männchen (Hintergrund) im Pilis-Gebirge, Ungarn | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lacerta viridis | ||||||||||||
(Laurenti, 1768) |
Die Östliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis) ist eine große europäische Eidechsenart mit grüner Grundfärbung. Erst mit dem Nachweis mangelnder Kreuzbarkeit sowie nach weiteren vergleichenden genetischen Studien wird seit etwa 1991 anerkannt, dass es neben dieser noch eine weitere auch mitteleuropäisch vorkommende Spezies gibt, die Westliche Smaragdeidechse (Lacerta bilineata).[1] Zuvor waren diese Arten nicht unterschieden worden, obwohl es schon früher Hinweise und Bestrebungen dazu gegeben hatte.
Merkmale
Es handelt sich um eine große, aber dennoch recht schlank wirkende Eidechse mit einem spitzen Kopf und einem, insbesondere bei den Männchen, recht langen Schwanz. Dessen Maße können das 1,6- bis 2,3fache der Kopf-Rumpf-Länge erreichen, welche bis zu 13 Zentimetern beträgt. Die maximale Gesamtlänge ist allerdings oft schwer zu beziffern, da viele ältere Tiere keinen unversehrten Schwanz mehr aufweisen, sondern diesen zwischenzeitlich bei Kontakt mit Fressfeinden oder bei Paarungskämpfen verloren und (unvollständig) regeneriert haben. Es werden aber bis etwa 40 Zentimeter Gesamtlänge erreicht. Die Extremitäten sind im Verhältnis zum Rumpf relativ lang.
Der Rücken und große Teile des Körpers sind bei beiden Geschlechtern hell- bis dunkelgrün. Die Grünfärbung entsteht allerdings erst allmählich im Laufe der ersten Lebensjahre; die Jungtiere zeigen Brauntöne. Während die etwas robuster wirkenden, großköpfigeren Männchen auf der grünen Grundfarbe in der Regel kleine schwarze, mitunter ornamentartig angeordnete Sprenkel aufweisen, haben die Weibchen oft ein Zeichnungsmuster mit in Reihen angeordneten, dunklen Abzeichen und weißlich-gelben Linien, die zu Längsbändern verschmelzen können. Je nach Region und Jahreszeit lassen sich die Geschlechter aber nicht immer an Zeichnungsmerkmalen unterscheiden. Bauch und Kehle sind fleckenlos weiß, grünlich oder gelb gefärbt. Mit der ersten Häutung nach der Winterruhe werden Kinn-, Kehl- und Halsregion sowohl bei Männchen als auch teilweise bei Weibchen grünblau bis „kornblumenblau“. Dieses „Paarungskleid“ erscheint beim Männchen kontrastreicher und farbintensiver.
Die obige Beschreibung gilt ebenso für die Schwesterart Westliche Smaragdeidechse. Morphologisch bestehen zwischen den beiden Arten nur geringe Differenzen bei der Beschuppung und den Körperproportionen. Die beiden Arten sind, abgesehen von genetischen Merkmalen, hauptsächlich durch ihre unterschiedliche Verbreitung differenziert. Gelegentlich kann eine Smaragdeidechse auch mit einer männlichen Zauneidechse (Lacerta agilis) verwechselt werden.
Lebensraum
Smaragdeidechsen bevorzugen sonnenerwärmte, süd-/südwest-/südostexponierte Geländehänge mit einem ausreichenden Feuchtegrad und einer Mischung aus offenen Strukturen und mosaikartiger Vegetation. Besonders geeignet sind beispielsweise trockenere Waldränder, vergraste Weinberge, Halbtrockenrasen (nicht jedoch gebüschlose Trockenrasen!), Ginster- und Steppenheiden, Brombeerdickichte, Bahn- und Wegdämme, Wiesen mit Schlehengebüschen und schüttere Streuobstwiesen. Im Süden des Verbreitungsgebietes sind die Vorkommen dagegen oft auf feuchte Lagen oder auf gebirgige Regionen beschränkt. Die tagaktiven Tiere nehmen insbesondere morgens und abends ausgedehnte Sonnenbäder; ansonsten klettern sie nahrungssuchend im Pflanzengestrüpp umher. Bei Gefahr huschen sie sehr flink in schützende Vegetation sowie in Spalten und Höhlungen.
Fortpflanzung
(Hinweis: Phänologische Daten beziehen sich auf Mitteleuropa.)
Nach der etwa sechsmonatigen Überwinterung in frostsicheren Erdhöhlen erscheinen im März oder April zuerst die Männchen, dann die Weibchen und zuletzt im Mai die Jungtiere an der Oberfläche. Zunächst steht für die wechselwarmen Tiere das Aufwärmen im Sonnenlicht im Vordergrund. Nach einer Häutung beginnen im Mai die Paarungsaktivitäten. Die Individuen beanspruchen Territorien, die die Männchen in heftigen Kämpfen mit Imponierverhalten, Beißereien und Verfolgungsjagden gegeneinander verteidigen. Gegenüber Weibchen zeigen sie ein typisches Balzverhalten mit bestimmten Bewegungsmustern. Bei der Paarung beißt das Männchen dem vor ihm laufenden Weibchen zunächst in den Schwanz; beide laufen dabei im sogenannten Paarungsmarsch weiter. Dann beißt es in die Flanken, biegt seinen Unterkörper unter das Weibchen und führt seinen Hemipenis in die Kloake des Weibchens ein. Die Kopulation dauert mehrere Minuten. Ein Weibchen verpaart sich bei Gelegenheit mit mehreren Männchen und umgekehrt.
Nach ungefähr drei bis sechs Wochen legen die Weibchen 6 bis 23 Eier mit zunächst etwa einem Zentimeter Breite. Die Eiablage erfolgt nachts in wahrscheinlich selbst gegrabenen Erdhöhlen, die etwa 30 Zentimeter lang sind und circa zehn Zentimeter unter der Oberfläche liegen. Danach bewachen und verteidigen die Weibchen das Gelege oft noch einige Tage – auch gegen andere Weibchen.
Die Entwicklung der Eier (Eizeitigung) dauert je nach Umgebungstemperatur etwa 70 bis 100 Tage. Durch Wasseraufnahme vergrößert sich ihr anfängliches Volumen um etwa ein Drittel. Die Schlüpflinge haben Körperlängen von bereits acht bis zehn Zentimetern. Mit knapp zwei Jahren tritt die Geschlechtsreife ein und die bis dahin rasch größer gewordenen Eidechsen verlangsamen ihr weiteres Wachstum. Eine Lebenserwartung von zehn bis zwölf Jahren wird angenommen.
Nahrung, Fressfeinde
Smaragdeidechsen vertilgen größere Insekten, Spinnen, Asseln, Schnecken und kleine Wirbeltiere (beispielsweise Jungmäuse), aber auch Reptilieneier und -jungtiere sowie Beeren. Sie gehen mit Hilfe des Seh- und Geruchssinnes aktiv auf Beutefang, ergreifen ihre Opfer mit dem bezahnten Maul und verschlucken diese direkt oder nach mehrmaligem Kauen. Sperrige Teile wie harte Flügeldecken von Insekten werden vorher durch Schütteln entfernt.
Sie selbst gehören zum Beutespektrum von Schlangen (beispielsweise der oft syntop vorkommenden Schlingnatter), Greifvögeln und Neuntötern. Hühnervögel fressen vor allem die Jungtiere. Unter den Säugetieren sind als Feinde Hauskatzen, Spitzmäuse, Igel, Füchse und Marderarten zu nennen.
Verbreitung
Die innerhalb Europas eher südöstlich verbreitete Art hat ihre westliche Verbreitungsgrenze in Deutschland (siehe nächster Absatz), Österreich (Kärnten, Steiermark, Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich), in Slowenien und dem äußersten Nordosten Italiens (Triest, Udine); nach Osten reicht das Areal über die gesamte Balkanhalbinsel bis in die Ukraine sowie in die Türkei. Die auf der italienischen Insel Elba vorkommende Smaragdeidechsenform fejervaryi wird mittlerweile Lacerta bilineata zugerechnet.
In Deutschland gibt es nur noch wenige inselartige Vorkommen in den Donauhängen bei Passau sowie – als phylogeografisch heute völlig disjunktes Gebiet – im östlichen Brandenburg. Durch neue DNA-Untersuchungen wurde außerdem festgestellt, dass auch die Smaragdeidechsen-Populationen am Kaiserstuhl, die zwischenzeitlich als Lacerta bilineata angesehen worden waren, wohl zu Lacerta viridis gehören und allochthonen Ursprungs sein müssten.[2] Allerdings wird noch in der wenig später erschienenen Herpetofauna Baden-Württembergs davon ausgegangen, dass die südbadischen Smaragdeidechsen am Kaiserstuhl und am Tuniberg der Art Lacerta bilineata zuzurechnen seien.[3]
Deutschland, Italien und Kroatien sind die einzigen Länder, in denen die beiden Smaragdeidechsenarten Lacerta viridis und Lacerta bilineata vorkommen. In der nordostitalienischen Region Friaul-Julisch-Venetien scheint eine Hybridisierungszone beider Arten zu bestehen; ansonsten sind ihre Verbreitungsgebiete weitestgehend allopatrisch. Auf der kroatischen Insel Cres konnte sich allerdings eine bilineata-Population halten, während diese Art in der übrigen Region Istrien wohl von der sich nach Westen ausbreitenden Östlichen Smaragdeidechse verdrängt wurde.
Unterarten
- Lacerta viridis guentherpetersi Rykena, Nettmann & Mayer, 2001
- Lacerta viridis infrapunctata Schmidtler, 1986
- Lacerta viridis meridionalis Cyrên, 1933
- Lacerta viridis paphlagonica Schmidtler, 1986
- Lacerta viridis viridis (Laurenti, 1768)
Der Unterartstatus von L. v. infrapunctata und L. v. paphlagonica (beide Türkei) wird von manchen Autoren angezweifelt.[4]
Artbildung im Lacerta viridis-bilineata-Komplex
Die Ausbildung zweier biologischer Arten von Smaragdeidechsen wurde durch biogeographische Faktoren initiiert. Das Gesamtareal weist einen relativ engen „Flaschenhals“ südlich der Alpen auf, der eine Einschränkung des Genaustausches bedingt. Nördlich der Alpen konnte sich nacheiszeitlich kein zusammenhängendes Verbreitungsgebiet ausbilden und erhalten. Begünstigt durch diese weitgehende räumliche Trennung fanden selektive evolutionäre Prozesse statt, die allmählich zu einer genetischen Differenzierung in den Populationen führte. Diese wurde methodisch durch den Vergleich genetischer Distanzen von Allozymprofilen sowie von mitochondrialen DNA-Sequenzen (Cytochrom b) nachgewiesen. Heute ist die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass bei Kreuzungen zwischen Individuen von Lacerta bilineata und Lacerta viridis nur noch sehr eingeschränkt fertile Nachkommen entstehen. Es wird vermutet, dass sich die Artbildung derzeit an einem „point of no return“ befindet.[2]
Gefährdung
Ungünstige Klimaverhältnisse und -änderungen können insbesondere am nördlichen Rand des Verbreitungsgebietes, also gerade auch in Deutschland, zu Bestandsverlusten führen. Das betrifft verstärkt territorial isolierte und durch weitere Faktoren bereits geschwächte, individuenarme Populationen. Die inselartigen Brandenburger Bestände der Östlichen Smaragdeidechse werden beispielsweise auf weniger als 300 Exemplare beziffert. Maßgeblich wirken sich aber bestimmte anthropogene Maßnahmen in den Lebensräumen aus, die man allgemein als extensive Kulturlandschaften charakterisieren kann. Die Intensivierung der Bewirtschaftung, der Ausbau von Verkehrswegen oder die Verbuschung bzw. Aufforstung von halboffenen Habitaten sind unter anderem zu nennen. Möglicherweise spielt auch der Wegfang durch „Liebhaber“ eine Rolle, obwohl die Art unter anderem nach der Berner Konvention geschützt ist.
Weiterer Schutzstatus (Auswahl)
- FFH-Richtlinie: Anhang IV (streng zu schützende Art)
- Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG): streng geschützt
Nationale Rote-Liste-Einstufungen (Auswahl)
- Rote Liste der Bundesrepublik Deutschland: 1 – vom Aussterben bedroht
- Rote Liste Österreichs: EN (entspricht: stark gefährdet)
- Rote Liste der Schweiz: (diese Art kommt hier nicht vor)
Quellen und weiterführende Informationen
Literatur
- Günter Diesener, Josef Reichholf: Lurche und Kriechtiere (= Steinbachs Naturführer. Band 4). Mosaik-Verlag, München 1986, ISBN 3-570-01273-5.
- Kerstin Elbing: Die Smaragdeidechsen. Zwei (un)gleiche Schwestern (= Zeitschrift für Feldherpetologie. Beiheft 3). Laurenti-Verlag, Bielefeld 2001, ISBN 3-933066-09-3.
- Silke Rykena, Hans-Konrad Nettmann, Rainer Günther: Westliche Smaragdeidechse – Lacerta bilineata Daudin, 1802. In: Rainer Günther (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer, Jena u. a. 1996, ISBN 3-437-35016-1, S. 558–566.
Einzelnachweise
- ↑ Silke Rykena: Kreuzungsexperimente zur Prüfung der Artgrenzen im Genus Lacerta sensu stricto. In: Mitteilungen aus dem Museum für Naturkunde in Berlin. Zoologisches Museum und Institut für Spezielle Zoologie (Berlin). Band 67, Nr. 1, 1991, S. 55–68, doi:10.1002/mmnz.19910670108.
- ↑ a b Ulrich Joger, Daniela Guicking, Svetlana Kalyabina-Hauf, Peter Lenk, Zoltan T. Nagy, Michael Wink: Phylogeographie, Artbildung und postpleistozäne Einwanderung mitteleuropäischer Reptilien. In: Martin Schlüpmann, Hans-Konrad Nettmann (Hrsg.): Areale und Verbreitungsmuster. Genese und Analyse. Festschrift für Prof. Dr. Reiner Feldmann (= Zeitschrift für Feldherpetologie. Supplement 10). Laurenti, Bielefeld 2006, ISBN 3-933066-29-8, S. 29–59.
- ↑ Klemens Fritz, Peter Sowig: Westliche Smaragdeidechse, Lacerta bilineata DAUDIN, 1802. In: Hubert Laufer, Klemens Fritz, Peter Sowig (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. Ulmer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8001-4385-6, S. 559–576.
- ↑ Lacerta viridis In: The Reptile Database; abgerufen am 9. Januar 2011.
Weblinks
- Fotos der Östlichen Smaragdeidechse bei www.herp.it
- Lacerta viridis in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Isailovic et al., 2005. Abgerufen am 12. Mai 2006.
- Informationen und Fotos bei www.herpetofauna.at
- Fotos von Smaragdeidechsen Österreich
- Lacerta viridis In: The Reptile Database
Auf dieser Seite verwendete Medien
(c) Jörg Hempel, CC BY-SA 3.0 de
junge Östliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis), Thasos, Griechenland
Autor/Urheber: Der ursprünglich hochladende Benutzer war White.lost in der Wikipedia auf Deutsch, Lizenz: CC BY-SA 2.0 de
Östliche Smaragdeidechse, halbwüchsiges Tier im Kaiserstuhl/Deutschland
Autor/Urheber: Wilfried Fiebig, Braunschweig, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Östliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis); aufgenommen im Kaiserstuhl
Autor/Urheber: Pavle Cikovac, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Lacerta viridis/bilineata and Adriatic lineage clades after Marzahn et al 2016 (Phylogeography of the Lacerta viridis complex: mitochondrial and nuclear markers provide taxonomic insights, 2016. In: Journal of Zoologica Systematics and Evolutional Research, 54(2): 185-205)
Autor/Urheber: Bernhard Plank (SiLencer), Lizenz: CC BY-SA 3.0
Oestliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis)
Autor/Urheber: Kat1100, Lizenz: CC BY 3.0
Weibliche und männliche Smaragdeidechse im Mai 2014
Autor/Urheber: Wilfried Fiebig, Braunschweig, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Östliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis) aus dem Kaiserstuhl; weiblich
Autor/Urheber: Pavle Cikovac, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Lacerta viridis/bilineata and Adriatic lineage clades after Marzahn et al 2016 (Phylogeography of the Lacerta viridis complex: mitochondrial and nuclear markers provide taxonomic insights, 2016. In: Journal of Zoologica Systematics and Evolutional Research, 54(2): 185-205)