Island und die Europäische Union

IslandEuropäische Union
Island und die EU in Europa
  • Europäische Union
  • Island
  • Island und die Europäische Union sind unter anderem durch die Mitgliedschaft Islands im Europäischen Wirtschaftsraum und die Teilnahme am Schengen-Raum eng miteinander verbunden. Island war von 2010 bis 2015 Beitrittskandidat der Europäischen Union. Das Land hatte am 17. Juli 2009 den Beitritt zur EU beantragt. Seit Annahme dieses Antrags am 17. Juni 2010 zählte Island zu den offiziellen Beitrittskandidaten. Am 27. Juli 2010 wurden die Beitrittsverhandlungen aufgenommen.

    Bis zur Finanzkrise 2008 verhielten sich die Isländer abwartend bis ablehnend gegenüber einem EU-Beitritt, insbesondere wegen der zu befürchtenden Einschränkungen bei den Fischereirechten. Seither haben sich die Ansichten in der Bevölkerung und der Regierung mehrmals stark geändert. Nachdem bei der isländischen Parlamentswahl im April 2009 die Allianz der pro-europäisch gesinnten Jóhanna Sigurðardóttir die Wahl gewann und eine Koalition mit der Links-Grünen Bewegung gebildet wurde, wurde am 17. Juli 2009 ein EU-Beitrittsgesuch beim Vorsitz in Stockholm eingereicht.[1][2]

    Mit der Parlamentswahl am 27. April 2013 besiegelten die Wähler jedoch das vorläufige Aus für Beitrittsbestrebungen Islands.[3] Im Februar 2014 einigten sich die Regierungsparteien auf ein entsprechendes Gesetzesvorhaben, um das Beitrittsgesuch zurückzuziehen.[4] Am 12. März 2015 zog Island schließlich den Beitrittsantrag offiziell zurück.[5]

    Geschichte

    Nordische Passunion und EFTA

    Am 1. Dezember 1955 trat Island der nordischen Passunion bei, bestehend aus Dänemark (erst später Färöer; ohne Grönland), Schweden, Finnland und Norwegen. Ziel war es, durch ein Arbeitsmarktabkommen unter anderem die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Später trat auch die Abschaffung der Grenzkontrollen in Kraft.

    Die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) war 1960 aufgrund einer Initiative des Vereinigten Königreichs gegründet worden, um gegenüber der neu entstandenen Europäischen Gemeinschaft (EG) eine Alternative in Form einer Freihandelszone anzubieten. Island trat ihr 1970 bei.

    Europäischer Binnenmarkt

    Nachdem bereits kurz nach der Entstehung von EFTA und EG bilaterale Beziehungen zwischen den beiden Organisationen geschlossen wurden, gab es erste wichtige Erfolge, als zwischen den einzelnen EFTA-Staaten und der EG Freihandelsabkommen unterzeichnet wurden. Am 3. Mai 1992 wurde das Abkommen zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) schließlich unterzeichnet, sodass unter anderem die Zölle zwischen allen EG- und allen EFTA-Staaten bis auf die Schweiz wegfielen.

    Schengener Abkommen

    Nachdem Dänemark 1973 sowie Finnland und Schweden 1995 der EU beitraten, tat sich Mitte der 1990er ein Problem für die nordische Passunion auf. Durch den Beitritt der drei Länder zum Schengener Abkommen hätten für Reisen von und nach Norwegen und Island wieder Grenzkontrollen eingeführt werden müssen. Deswegen unterzeichneten Norwegen und Island am 18. Mai 1999 ein Abkommen zur Teilnahme am Schengener Abkommen. Die Färöer und Grönland waren zwar nicht betroffen, wurden aber durch ein Kooperationsabkommen ebenfalls von den Grenzkontrollen befreit.[6]

    2006/2007

    Nach dem Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte 2006, welche bis dato die Sicherheit des Inselstaates garantierten, wuchs die Angst vor einer politischen Isolation und es wurden Stimmen laut, sich wieder Europa anzunähern. Im Februar 2006 verkündete die damalige Regierung, eine Koalition aus Unabhängigkeitspartei und Fortschrittspartei, Island werde der EU noch vor 2015 beitreten.

    Die im Mai 2007 neu gewählte Regierung aus Unabhängigkeitspartei und Allianz kündigte allerdings an, dass die Frage der EU-Mitgliedschaft vorläufig auf Eis gelegt werde, da dies in der kommenden vierjährigen Legislaturperiode „nicht aktuell“ sei.[7] Auch die allgemeine Haltung der Isländer war eher EU-skeptisch. Insbesondere die Befürchtung, die für Island wichtigen Fischereirechte könnten bei einem EU-Beitritt eingeschränkt werden, trug hierzu bei. Infolge der Krise (siehe unten) schlug die Stimmung aber gegen die Regierung um. Ein EU-Beitritt und insbesondere die Aussicht auf die Einführung des Euro erschienen zunehmend attraktiv.

    Finanzkrise 2008

    Die aus der Finanzkrise 2008 resultierenden wirtschaftlichen Folgen sind für Island und die Isländische Krone erheblich. Mehrere große Banken mussten verstaatlicht werden, da sie andernfalls kollabiert wären. Der isländische Staatshaushalt geriet in eine schwere Schieflage. Dies wurde vor allem der Regierung angelastet; es kam zu den größten Demonstrationen der isländischen Geschichte. Ein EU-Beitritt wurde zunehmend populär. Insbesondere die Aussicht auf die Einführung des Euro als stabile Alternative zu der stark geschwächten isländischen Krone hatte große Unterstützung.

    Die isländische Regierung hatte bereits früher über den Schritt nachgedacht, damals trat aber nur die Allianz offen für einen EU-Beitritt ein. Der isländische Fischereiminister Einar Guðfinnsson bekräftigte zwar, dass er weiterhin gegen den Beitritt sei, man die Beitrittsfrage aber in einem neuen Licht betrachten müsse.

    Nach Beginn der Finanzkrise hat sich die Position einiger großer Parteien zum EU-Beitritt verändert. Die Fortschrittspartei beschloss auf ihrem Parteitag am 17. Januar 2009, den EU-Beitritt zu befürworten, allerdings mit Vorbehalten insbesondere bei den Fischereirechten. Ende März 2009 folgte die bei der bisherigen Regierung beteiligte Unabhängigkeitspartei so weit, dass zuerst ein Referendum über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen und nach deren Abschluss eine weitere Volksabstimmung über die Annahme der von der EU angebotenen Bedingungen abgehalten werden solle.[8] Die Liberale Partei Islands jedoch blieb bei ihrer Position gegen den EU-Beitritt, wie in einer Mitgliederbefragung vom Januar 2009 bestätigt wurde.

    Der damalige EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn stellte Island frühzeitig eine schnelle Durchführung von Beitrittsverhandlungen in Aussicht. Er sprach sich deutlich gegen eine einseitige Einführung des Euro durch Island aus.[9] Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2009 setzte es sich auch zum Ziel, dem nordischen Island verkürzte Beitrittsverhandlungen zu ermöglichen.

    Rücktritt der Regierung und Neuwahlen

    Am 26. Januar 2009 trat die Regierung aufgrund anhaltender Proteste aus der Bevölkerung zurück.[10] Daraufhin übernahm die bisherige Sozialministerin Jóhanna Sigurðardóttir mit ihrer Allianz und der Links-Grünen Bewegung in einer Minderheitsregierung unter Tolerierung der Fortschrittspartei die Führung des Landes.

    Bei den Neuwahlen am 25. April kam es zu einer Mehrheit für die Koalition unter Jóhanna Sigurðardóttir. Ihr Engagement für den EU-Beitritt ließ darauf schließen, dass innerhalb kürzester Zeit ein Beitrittsgesuch gestellt werden würde. Am 26. April 2009 kündigte sie an, ein Beitrittsgesuch stellen zu wollen, um nach Möglichkeit bis Ende 2010 ein Referendum über den Beitritt durchführen zu können.[11] Am 25. Mai präsentierte sie dem Parlament einen Gesetzesentwurf, der die Beitrittsverhandlungen autorisierte.[12][13]

    Beitrittsantrag

    Am 16. Juli 2009 stimmte das isländische Parlament mit 33 zu 28 Stimmen für den Antrag Jóhanna Sigurðardóttirs. Das Beitrittsgesuch wurde am 17. Juli 2009 der EU-Kommission in Brüssel und der schwedischen Regierung, die zu dieser Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, vorgelegt.[14] Vertreter der EU hielten einen Beitritt innerhalb von zwei bis vier Jahren für möglich; wie die Bevölkerung Islands in einem Referendum stimmen würde, blieb offen.[15]

    Am 27. Juli 2009 gaben die EU-Außenminister der EU-Kommission den Auftrag, einen Beitritt Islands zu prüfen. Der Bericht muss spätestens ein Jahr später vorliegen. Dann müssen die EU-Außenminister einstimmig über den Kandidatenstatus Islands abstimmen.[16] Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft hat entgegen voriger Erklärungen einen beschleunigten Beitritt Islands ausgeschlossen.[17]

    Am 8. September 2009 übergab EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn einen Beitrittsfragebogen (ca. 2.500 Fragen), dessen Antwort dem Europäischen Rat vorgelegt werden soll. Der isländische Außenminister Össur Skarphéðinsson gab an, man wolle den Fragebogen bis Mitte November beantworten, damit der Europäische Rat schon bei seinem Treffen im Dezember 2009 darüber befinden konnte, ob Island den Status als Beitrittskandidat erhält. Am 22. Oktober wurde die 8.870 Seiten lange Antwort Brüssel übergeben.[18]

    Anfang November ernannte die isländische Regierung das Verhandlungskomitee für die Beitrittsverhandlungen.[19] Die EU zeigte sich mit der Beantwortung des Fragebogens weitgehend zufrieden und stellte Anfang Dezember 2009 einige Nachfragen. Die isländische Regierung stellte deren Beantwortung innerhalb weniger Tage in Aussicht.[20]

    Am 4. Januar 2010 legte Islands Präsident Ólafur Grímsson sein Veto gegen das im Dezember verabschiedete „Icesave“-Gesetz ein, das ausländische Sparer, insbesondere in Großbritannien und den Niederlanden, entschädigen soll. Dadurch waren die internationalen Kredite für Island in Gefahr; auch die baldige Aufnahme Islands in die Europäische Union wurde in Gefahr gesehen.[21] Die spanische EU-Ratspräsidentschaft 2010 hingegen betrachtete das Icesave-Gesetz als eine vom Beitrittsprozess unabhängige Frage.[22] Auch der niederländische Außenminister Maxime Verhagen erklärte, dass die Niederlande die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht blockieren werden.[23]

    Am 24. Februar 2010 empfahl die Europäische Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen,[24] was am 17. Juni 2010 auf einem EU-Gipfel des Ministerrates abgesegnet wurde.[25] Island zählt damit zu den offiziellen Beitrittskandidaten der EU. Am 17. Juni 2010 gab der Rat der Europäischen Union grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Island[25][26] und am 7. Juli 2010 auch das Europäische Parlament.[27]

    Im Zuge dieser Entwicklungen wurde auch eine neue isländische Verfassung diskutiert.

    Verhandlungen

    Am 27. Juli 2010 wurden die Beitrittsverhandlungen offiziell aufgenommen.[28] Das Screening begann am 15. November 2010 und endete am 27. Juni 2011. An jenem Tag begannen die formalen Verhandlungen mit der Öffnung von vier Kapiteln. Ziel Islands war es, unter der polnischen Ratspräsidentschaft (zweite Hälfte des Jahres 2011) die erste Hälfte der Kapitel und die zweite Hälfte unter dänischem Vorsitz in der ersten Hälfte des Jahres 2012 zu öffnen. Dieser Zeitplan wurde nicht eingehalten: Am Ende des Jahres 2011 waren erst ein Drittel der Verhandlungskapitel geöffnet und acht Kapitel provisorisch geschlossen. In der ersten Hälfte des Jahres 2012 kamen neun geöffnete Kapitel dazu. Zwei Kapitel wurden in der ersten Jahreshälfte 2012 provisorisch geschlossen.

    Im Jahr 2012 kam es in Island zu einer Diskussion darüber, ob Island seine Krone aufgeben und der Kanadische Dollar eingeführt werden solle.[29]

    Im Januar 2013 waren ein Drittel (11) der Kapitel geschlossen, weitere 16 Kapitel geöffnet und 6 Kapitel noch nicht eröffnet. Die damalige isländische Regierung plante, die Verhandlungen binnen Jahresfrist abzuschließen und in der ersten Jahreshälfte 2014 das Beitrittsreferendum abzuhalten. Wegen der Parlamentswahlen am 27. April 2013 beschloss Island am 14. Januar 2013 im Rahmen der Beitrittsverhandlungen, keine neuen Verhandlungskapitel mehr zu eröffnen, da möglicherweise eine neue Regierung einen EU-Beitritt nicht mehr befürworten werde. Die Verhandlungen über bereits eröffnete Kapitel gingen weiter.

    Die bisherigen Regierungsparteien und die neue Partei Björt framtíð („Strahlende Zukunft“) befürworteten den Abschluss der Verhandlungen; die damaligen Oppositionsparteien Sjálfstæðisflokkurinn („Unabhängigkeitspartei“) und Framsóknarflokkurinn („Fortschrittspartei“) forderten einen sofortigen Stopp der Verhandlungen.

    Im Februar 2014 einigten sich die Regierungsparteien auf ein Gesetzesvorhaben, um das Beitrittsgesuch zurückzuziehen.[4] Nach Protesten und der öffentlichen Forderung nach einem Beitrittsreferendum wurde der Beschluss am 13. Mai 2014 jedoch vorläufig wieder zurückgezogen. Über die Abhaltung eines nationalen Referendums sollte nach der Sommerpause entschieden werden.[30] Anfang September 2014 gab es Überlegungen der Regierung, das Gesetzesvorhaben zum Rückzug des Beitrittsgesuchs abzubrechen,[31] während eine Umfrage eine wachsende Befürwortung des EU-Beitritts in der Bevölkerung zeigte.[32]

    Rücknahme des Beitrittsantrages

    Am 12. März 2015 zog die isländische Regierung den Antrag auf einen Beitritt des Landes zur Europäischen Union offiziell zurück. Die Rücknahme des Beitrittsantrages hatte die Regierung schon nach der Parlamentswahl in Island 2013 angekündigt. Außenminister Gunnar Bragi Sveinsson erklärte zur Begründung, dass den Interessen Islands außerhalb der Europäischen Union besser gedient sei. Die isländische Regierung habe auch keine Absichten, die Beitrittsgespräche wieder aufzunehmen.[33] Dass die Regierung bei dieser Entscheidung das isländische Parlament Althing umgangen hatte, führte zu Protestdemonstrationen in Reykjavík. Am 15. März 2015 demonstrierten deshalb ungefähr 7000[34] Personen vor dem Althing. Mehr als 20 % der isländischen Bevölkerung hatten eine Petition unterzeichnet, in der die Regierungsparteien aufgefordert wurden, ihr Versprechen einzuhalten, eine Volksabstimmung über die Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen durchzuführen.[35] Die Oppositionsparteien im Althing reagierten auf die Regierungsentscheidung mit einem Brief an Vertreter der EU, worin sie erklärten, dass Gunnar Bragi Sveinsson nicht über die Kompetenz verfüge, die Gespräche mit der EU für beendet zu erklären.[36] Gunnar Bragi seinerseits verglich diesen Brief der Opposition mit einem „Putsch“.[37]

    Meinungsumfragen

    „EU + Island. Nein Danke!“ Plakat in Keflavík im November 2013.

    Eine von der Zeitung Fréttablaðið im Oktober 2008 durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass 70 Prozent der Isländer ein Referendum über den EU-Beitritt abhalten wollten, und 49 Prozent sagten, sie würden einen Beitritt befürworten.[38] Anderen Zahlen zufolge sprachen sich sogar über 70 Prozent der Isländer für einen EU-Beitritt aus. Für die Einführung des Euros plädierten sogar 72 Prozent.[39]

    Umfragen im März 2009 zeigten eine Abkühlung der EU-Begeisterung: Anhänger und Gegner waren gleichauf.[40]

    Eine am 6. Mai 2009 veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigte, dass 61,2 Prozent der Isländer für Beitrittsverhandlungen waren und 29,6 Prozent dagegen. Bei der Frage nach dem Beitritt selbst hielten sich Befürworter und Gegner die Waage.[41]

    Im September 2009 stieg die Ablehnung der Isländer bezüglich eines EU-Beitritts auf ein Rekordhoch von 61,5 Prozent. Als einer der möglichen Gründe dieser starken Ablehnung wurden die Haltungen der britischen und der niederländischen Regierungen im Icesave-Streit gesehen.[42] Für einen Beitritt waren lediglich 38,5 Prozent der Befragten. In von 2009 bis 2022 veröffentlichten Meinungsumfragen hat sich eine Mehrheit der Isländer gegen den EU-Beitritt ausgesprochen.[43] Im März 2022 ergab eine Gallup-Umfrage erstmals seit Jahren wieder eine relative Mehrheit (47 Prozent) für einen Beitritt zur Europäischen Union, 33 Prozent waren dagegen.[44]

    Auch nach erfolgreichem Abschluss der Beitrittsverhandlungen hätte Island erst nach einem positiven Ergebnis der Volksabstimmung der EU beitreten können, da dies Voraussetzung für die Aufnahme ist.[45]

    Übersicht über den Verhandlungsfortschritt

    Nach Auffassung der EU hatte Island schon zehn der 33 Verhandlungskapitel voll implementiert. In elf Kapiteln bestand eine teilweise Implementierung durch die Mitgliedschaft im EWR. Zwölf Kapitel hätten hingegen neu verhandelt werden müssen.[46]

    Das Screening der Verhandlungskapitel wurde am 15. November 2010 begonnen und am 17. Juni 2011 abgeschlossen.[47]

    Am 27. Juni 2011 wurden die ersten vier Verhandlungskapitel eröffnet. Zwei davon konnten sofort abgeschlossen werden.[48] Der isländische Außenminister Össur Skarphéðinsson kündigte dabei an, sein Land wolle im zweiten Halbjahr 2011 unter polnischem Ratsvorsitz die Hälfte der verbleibenden Verhandlungskapitel eröffnen, darunter auch die eher schwierigen Kapitel 11 „Landwirtschaft und ländliche Entwicklung“ und 13 „Fischerei“. Im ersten Halbjahr 2012 wolle Island dann unter dänischem Vorsitz die restlichen Bereiche bearbeiten,[49] allerdings war dieser Zeitplan zu optimistisch.

    Am 19. Oktober 2011 wurden zwei weitere Kapitel eröffnet und am gleichen Tag abgeschlossen. Auf der Beitrittskonferenz auf Ministerebene am 12. Dezember 2011 wurden fünf weitere Kapitel eröffnet und vier davon am gleichen Tag abgeschlossen. Es wurden nun insgesamt elf Kapitel eröffnet und acht davon abgeschlossen.[50]

    Um den Beitrittsprozess mit Island rasch voranzutreiben, wurde für Ende März 2012 die nächste Beitrittskonferenz angesetzt.[51] Bei dieser Beitrittskonferenz, der zweiten auf Stellvertreterebene, wurden am 30. März 2012 vier weitere Kapitel (8, 15, 28 und 31) eröffnet und zwei davon vorläufig gleich wieder geschlossen (Kapitel 28 und 31). Bei der folgenden Beitrittskonferenz auf Ministerebene am 22. Juni 2012 wurden die Beschlüsse vom 30. März 2012 bestätigt und drei weitere Kapitel (14, 19 und 32) eröffnet.[52] Bei der darauf folgenden Beitrittskonferenz am 24. Oktober 2012 wurden die Kapitel 9, 18 und 29 eröffnet,[53] auf der Beitrittskonferenz am 18. Dezember 2012 dann die Kapitel 1, 16, 17, 22, 27 und 30 eröffnet sowie das Kapitel 8 vorläufig geschlossen.[54]

    Nachdem die amtierende Regierung beschlossen hatte, keine neuen Verhandlungskapitel vor der Parlamentswahl im April 2013 zu eröffnen, wurde die für März 2013 anberaumte Beitrittskonferenz abgesagt. Die bereits eröffneten Kapitel sollten weiterverhandelt werden. Nach der Parlamentswahl, die zu einem Regierungswechsel führte, setzte die Koalition von Unabhängigkeitspartei und Fortschrittspartei die Beitrittsgespräche aus.[55]

    Eine im Januar 2014 veröffentlichte Umfrage fand heraus, dass 67,5 % der Isländer ein Referendum über die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen befürworteten.[56] Die Regierungsparteien stimmten am 22. Februar 2014 überein, das Beitrittsgesuch offiziell zurückzuziehen, ohne ein Referendum darüber abzuhalten. Des Weiteren legten sie dem Parlament einen Gesetzesentwurf vor, um die Zustimmung dafür zu bekommen.[57][58] Diese Entscheidung führte dazu, dass tausende Demonstranten auf den Straßen vor dem Parlamentsgebäude in Reykjavík protestierten.[59][60][61] Am 28. Februar 2014 waren 82 % der Isländer dafür, ein Referendum abzuhalten.[62] Über 40.000 Menschen (16,5 % der Wahlberechtigten) hatten eine Petition unterschrieben. Diese fordert, das versprochene Referendum durchzuführen.[61][63] Anfang März 2014 erwähnte der EU-Botschafter in Island die Möglichkeit einer Aussetzung der Verhandlungen, statt zwischen einer Wiederaufnahme oder einem formellen Rückzug des Beitrittsgesuchs zu entscheiden, „dies jedoch nicht für einen unbegrenzten Zeitraum“.[64] Der Gesetzesantrag der Regierung wurde bis zur Sommerpause des Parlaments nicht angenommen.[65]

    Am 12. März 2015 zog die Regierung den Beitrittsantrag endgültig zurück.

    KapitelScreeningeröffnetabgeschlossen
    1. Freier Warenverkehr8. Dezember 201018. Dezember 2012
    2. Freizügigkeit der Arbeitnehmer9. Februar 201119. Oktober 201119. Oktober 2011
    3. Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr9. Dezember 2010
    4. Freier Kapitalverkehr10. Dezember 2010
    5. Vergaberecht15. November 201027. Juni 2011
    6. Gesellschaftsrecht17. November 201012. Dezember 201112. Dezember 2011
    7. Schutz geistiger Eigentumsrechte20. Dezember 201019. Oktober 201119. Oktober 2011
    8. Wettbewerbsrecht6. Dezember 201030. März 201218. Dezember 2012
    9. Finanzdienstleistungen15. Dezember 201024. Oktober 2012
    10. Informationsgesellschaft und Medien18. November 201027. Juni 2011
    11. Landwirtschaft und ländliche Entwicklung27. Januar 2011
    12. Lebensmittelsicherheit, Veterinärpolitik und Pflanzenschutz31. März 2011
    13. Fischerei2. März 2011
    14. Verkehrspolitik9. Juni 201122. Juni 2012
    15. Energie17. Juni 201130. März 2012
    16. Steuerpolitik4. März 201118. Dezember 2012
    17. Wirtschafts- und Währungspolitik18. Mai 201118. Dezember 2012
    18. Statistiken7. Juni 201124. Oktober 2012
    19. Sozialpolitik und Beschäftigung16. März 201122. Juni 2012
    20. Unternehmens- und Industriepolitik26. Mai 201112. Dezember 201112. Dezember 2011
    21. Transeuropäisches Verkehrsnetz10. Juni 201112. Dezember 201112. Dezember 2011
    22. Regionalpolitik und Koordination der strukturpolitischen Instrumente22. März 201118. Dezember 2012
    23. Justiz und Grundrechte11. Februar 201112. Dezember 201112. Dezember 2011
    24. Justiz, Freiheit und Sicherheit24. Mai 2011
    25. Wissenschaft und Forschung13. Januar 201127. Juni 201127. Juni 2011
    26. Bildung und Kultur14. Januar 201127. Juni 201127. Juni 2011
    27. Umwelt19. Januar 201118. Dezember 2012
    28. Verbraucher- und Gesundheitsschutz16. Mai 201130. März 201230. März 2012
    29. Zollunion6. April 201124. Oktober 2012
    30. Beziehungen nach Außen19. Mai 201118. Dezember 2012
    31. Außenpolitik, Sicherheits- und Verteidigungspolitik20. Mai 201130. März 201230. März 2012
    32. Finanzkontrolle2. Februar 201122. Juni 2012
    33. Finanz- und Haushaltsbestimmungen4. April 201112. Dezember 2011
    34. Institutionenentfällt
    35. Andere Fragenentfällt
    insgesamt332711

    Verhandlungsfortschritt:

  • Screening abgeschlossen
  • Kapitel eröffnet
  • Kapitel abgeschlossen
  • Literatur

    • Burkard Steppacher: Island. In: Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration 2011 (= Jahrbuch der Europäischen Integration). Nomos, Baden-Baden 2012, ISBN 978-3-8329-7211-0, S. 511 f.
    • Carsten Schymik: Island auf EU-Kurs. Beitritt als Rettungsanker. In: SWP-Aktuell. Nr. 24. Berlin Mai 2009 (swp-berlin.org [PDF]).
    • Burkard Steppacher: Island. In: Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration 2010 (= Jahrbuch der Europäischen Integration). Nomos, Baden-Baden 2011, ISBN 978-3-8329-6276-0, S. 479 f.

    Weblinks

    Einzelnachweise

    1. Tagesschau: Isländer wählen links und pro EU (Memento vom 28. April 2009 im Internet Archive) 26. April 2009.
    2. Island beantragt EU-Mitgliedschaft, Focus, 17. Juli 2009.
    3. Machtwechsel in Reykjavík: Isländer entscheiden sich gegen Europa, Spiegel Online, 28. April 2013.
    4. a b Island verzichtet auf EU-Mitgliedschaft. In: Die Zeit online. 22. Februar 2014, abgerufen am 25. Februar 2014.
    5. Island zieht Beitrittsantrag zurück. In: Sueddeutsche.de online. 12. März 2015, abgerufen am 12. März 2015.
    6. Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark (Memento vom 2. Januar 2014 im Internet Archive) Artikel 5
    7. „Island legt EU auf Eis“. Beitrag vom 23. Mai 2007 auf der Nachrichtenseite des öffentlich-rechtlichen norwegischen Rundfunks NRK (norwegisch)
    8. „Iceland's Independence Party seeks two votes on EU“, (englisch) 27. März 2009.
    9. Wiener Zeitung: EU verbietet Island Euro-Einführung, 8. Januar 2009 (abgerufen am 7. November 2013)
    10. Tagesschau: Regierung kündigt Rücktritt an – Islands Koalition am Ende (Memento vom 11. Februar 2009 im Internet Archive) 26. Januar 2009.
    11. EurActiv: Island wird sich im Juli als EU-Mitglied bewerben 27. April 2009.
    12. EurActiv: Island bereitet sich auf EU-Beitrittsverhandlungen vor (Memento vom 27. November 2009 im Internet Archive) 7. Mai 2009.
    13. EurActiv: Island beauftragt Parlament mit EU-Beitrittsverhandlungen (Memento vom 25. November 2009 im Internet Archive) 26. Mai 2009.
    14. Wirtschaftskrise: Island beantragt EU-Mitgliedschaft. focus.de, 17. Juli 2009, abgerufen am 13. November 2011.
    15. Die Presse: EU-Beitrittsantrag: Island bricht auf nach Europa vom 16. Juli 2009.
    16. rundschau-online.de (Memento vom 9. September 2012 im Webarchiv archive.today)
    17. web.archive.org
    18. Island macht Schritt in Richtung EU 23. Oktober 2009.
    19. icenews.is
    20. DiePresse.com: EU stellt Zusatzfragen an Beitrittswerber Island, 3. Dezember 2009
    21. „Islands Präsident erzwingt Volksabstimmung“, Deutsche Welle, 5. Januar 2010.
    22. icenews.is
    23. reuters.com
    24. Island nicht vor 2013 in der EU, Der Standard 24. Februar 2010.
    25. a b Tagesschau.de:Beitrittsverhandlungen mit Island können beginnen (Memento vom 18. Juni 2010 im Internet Archive)
    26. Beitrittsverhandlungen: Island robbt sich weiter an die EU heran, Handelsblatt, 17. Juni 2010.
    27. EurActiv, 8. Juli 2010: EP gibt grünes Licht für Islands EU-Beitritt.
    28. http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/9337_de.htm Beitrittsverhandlungen mit Island begonnen
    29. http://news.orf.at/stories/2110302/2110301/ ORF.at:70 Prozent der Isländer wollen „Loonie“, 16. März 2012, Zugriff: 30. März 2012.
    30. Iceland postpones withdrawal of EU application. 13. Mai 2014, abgerufen am 6. September 2014.
    31. Paul Fontaine: EU Accession Split Possibly Dead In The Water. 3. September 2014, abgerufen am 5. September 2014.
    32. Paul Fontaine: Support For European Union Accession Increases. 5. September 2014, abgerufen am 5. September 2014.
    33. Mitte-Rechts-Regierung beendet Verhandlungen Island zieht EU-Beitrittsantrag zurück. tagesschau.de, 12. März 2015, abgerufen am 13. März 2015.
    34. Iceland government move to reject EU talks sparks protest. In: Reuters. 15. März 2015 (reuters.com [abgerufen am 26. Januar 2022]).
    35. Benedikt Jóhannesson: Thousands Protest Government’s EU Application Withdrawal. In: Iceland Review. 15. März 2015, abgerufen am 15. März 2015 (englisch).
    36. Paul Fontaine: Thousands Protest Breaking EU Talks. In: The Reykjavík Grapevine. 15. März 2015, abgerufen am 15. März 2015 (englisch).
    37. Gunnar Bragi líkir bréfi stjórnarandstöðu til ESB við valdarán. In: Kjarninn. 15. März 2015, abgerufen am 15. März 2015 (isländisch).
    38. Agence France-Presse: “Iceland could ‘quickly’ join EU if requested: commissioner” (Memento vom 25. Oktober 2008 im Internet Archive) 20. Oktober 2008.
    39. „Island will schnell in die EU“ 16. November 2008.
    40. DiePresse.com: EU-Annäherung spaltet Island (Memento vom 21. Mai 2009 im Internet Archive) 17. März 2009.
    41. diepresse.com, „Island: Regierung will in die EU“, 7. Mai 2009
    42. Keine Mehrheit für EU-Beitritt
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    65. Iceland postpones withdrawal of EU application. EurActiv, 13. Mai 2014, abgerufen am 27. Mai 2014.

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    Die Europaflagge besteht aus einem Kranz aus zwölf goldenen, fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Hintergrund.

    Sie wurde 1955 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und erst 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen.

    Die Zahl der Sterne, zwölf, ist traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit. Nur rein zufällig stimmte sie zwischen der Adoption der Flagge durch die EG 1986 bis zur Erweiterung 1995 mit der Zahl der Mitgliedstaaten der EG überein und blieb daher auch danach unverändert.
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